Full text: Handbuch der gesamten Handelswissenschaften für ältere und jüngere Kaufleute, sowie für Fabrikanten, Gewerbetreibende, Verkehrsbeamte, Anwälte und Richter (1)

V. Die Eisenbahnen. 
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7. Eisenbahnpolitik. 
Die Summe der Grundsätze, nach welchen der Staat die Eisenbahnen be 
handelt, nennt man Eisenbahnpolitik. Die Hauptfragen, mit welchen sich die 
selbe beschäftigt, sind größtenteils schon oben berührt. Sie beziehen sich auf 
folgende Gegenstände: 
1. Staats- oder Privatbahnen? Abwägung der Vor- und Nachteile beider; 
Verkauf 
und Verpachtung von Staatsbahnen einerseits; Verstaatlichung der 
Bahnen 
anderseits. 
II. Konzessionierung und Unterstützung der Privatbahnen siehe oben. 
III. Beschaffung des Kapitals für Staatsbahnen siehe oben. 
IV. Gestaltung der Eisenbahnnetze nach den geographischen und kommer 
ziellen Bedingungen des Verkehrs. Herbeiführung der nötigen Anschlüsse mit 
den 
Nachbarstaaten. 
Organisation des Betriebs; namentlich Aufstellung, eventuell Ge 
nehmigung der Fahrpläne, Vorschriften für den Betrieb. 
VI. Larifwesen. Feststellung der Tarifvorschriften für Privatbahnen; Wahl 
des 
Tarifsystems für die Staatsbahnen. Demgemäß spricht man auch von 
Tarispolitik. 
VII. Monopol und Konkurrenz im Eisenbahnwesen. Eine ganz eigen 
tümliche Wirkung der Eisenbahnen soll, wie von vielen Seiten behauptet wird, 
darin bestehen, daß sie sich ein faktisches Monopol im Verkehrswesen erobern. 
Man führt hierfür folgendes an: 
Mit den Eisenbahnen können, aber auch nur unvollkommen, bloß Kanäle, 
eine verläßliche Flußschiffahrt und der Seeverkehr konkurrieren. Der Landfracht 
dagegen ist die Eisenbahn so sehr voraus, daß sie ein faktisches Privilegium ge 
nießt, diese Fracht zu verdrängen und ausschließlich den Verkehr an sich zu 
ziehen. So kann sie, unbehindert durch die Konkurrenz, ihre Transport 
bedingungen dem Publikum vorschreiben. 
Neben diesem faktischen Monopol besitzen die Eisenbahnen aber auch noch 
ein rechtliches in der Baukonzession und in der Befugnis der Zwangsenteignung. 
Die Frage über die Bedeutung dieser Monopolstellung ist eine sehr be 
deutungsvolle; es handelt sich darum, ob dieselbe wirklich vorhanden, ob sie ge 
fährlich ist und ob Mittel vorhanden sind, ihre Nachteile zu beseitigen. 
Zunächst ist die Frage zu untersuchen, ob wirklich ein solches faktisches 
Monopol der Eisenbahnen besteht, oder ob nicht vielmehr auch die Eisenbahnen 
bezüglich der Verkehrsleistung ihre Konkurrenten haben? 
Es sind verschiedene Arten von Konkurrenz denkbar: 1. Durch andere 
Verkehrswege. Daß jene Eisenbahnen, welche Punkte verbinden, die außer 
dem durch Kanäle, schiffbare Flüsse oder Seeverbindungen direkt im Verkehr 
stehen, an diesen Wasserwegen wirkliche und energische Konkurrenten haben, ist 
allseitig anerkannt; aber es beschränkt sich diese Konkurrenz in der Regel auf 
den Verkehr schwerwichtiger Güter, weil die Wasserfracht zwar billiger ist als 
die Eisenbahnfracht, aber viel langsamer. 2. Durch andere Eisenbahnen. 
Freilich gelang es vielen Bahnen, durch Gesetzgebung oder Privilegium auf 
lange Jahrzehnte einen Schutz gegen Parallelbahnen garantiert zu erhalten. 
Die Regierungen gaben diesen Schutz, um das anfangs etwas spröde Kapital 
den Eisenbahnunternehmungen geneigt zu machen. Allerdings ließ schließlich die 
zunehmende Ausbildung der Eisenbahnnetze doch überall neue Konkurrenzen er 
wachsen; aber die Konkurrenz ist deshalb noch lang keine so unbedingte, wie 
auf anderen Gebieten der Unternehmung. 3. Durch Freigebung des Ge 
brauchs der Eisenbahnen für jeden oder wenigstens für mehrere Unternehmer, 
die darauf Transportunternehmungen betreiben können. Ein theoretisch rich¬
	        
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