Allgemeine Handelslehre.
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Die Versicherung gegen Verluste im geschäftlichen Betrieb ist gewiß der
schwierigste Punkt im Versicherungswesen. Fast alles, was man hierin ver
suchte, erwies sich als lebensunfähig. Es liegt dies zunächst darin, daß Ge
schäftsverluste andere Ursachen und anderen Charakter haben, als die dem Ver
sicherungsprinzip zugänglichen Verluste durch Brand, Hagelschlag, Seetransport ec.
Diese sind Ausnahmen, lassen sich statistisch konstatieren und sind vom Willen
des Versicherten fast ganz unabhängig. Die Geschäftsverluste dagegen sind nicht
Ausnahmefälle; sie gestatten keine statistische Berechnung; wegen des häufigen
Vorkommens müßten die Prämien so hoch sein, daß sie selbst wieder zu schweren
Verlusten würden.
Gerade die Versicherung würde die Geschäftsverluste vermehren. Denn
jeder Geschäftsmann, der sich gegen Verluste gesichert hätte, würde die Prämie
nicht umsonst zahlen wollen, sondern weit mehr riskieren, als er außerdem
riskiert hätte. Eine auf dem Prämiensystem beruhende Versicherung gegen Ge
schäftsverluste ist ein Unding, welches durch die Natur der Unternehmung un
möglich gemacht ist.
In Frankreich entstanden vor mehreren Jahren einzelne Versicherungsgesell
schaften gegen Geschäftsverluste, verschwanden aber fast sämtlich nach kurzem
Dasein. Eine einzige, „Le Ducroire“, bestand 14 Jahre und wurde hierauf
eine andere gegründet (Société d'Assurance mutuelle du Commerce), mit sehr
sinnreichen Einrichtungen.
Rückversicherung. Seit das Versicherungsgeschäft im großen betrieben wird
hat man dasselbe auch in der Weise angewendet, daß die Versicherungsanstalten
selbst sich wieder bezüglich der von ihnen übernommenen Gefahren versichern
lassen. Derartige Geschäfte werden als Rückversicherung bezeichnet. Das Cha
rakteristische dieses Geschäftes besteht darin, daß der Versicherer eine übernom
mene Versicherung entweder ganz oder teilweise einem oder mehreren anderen
Versicherern überträgt. Der zuerst Versicherte hält sich an seinen Versicherer.
Solche Rückversicherungen sind in England schon im 17. Jahrhundert üblich
gewesen; heutzutage sind sie in allen Zweigen der Versicherung üblich. Als
Geschäft wird die Rückversicherung in Deutschland teils von anderen Versiche
rungsgesellschaften, teils auch von eigentlichen, besonderen Rückversicherungsgesell
schaften betrieben.
Etwas anderes ist die sog. Beteiligungsversicherung. Bei solchen
Versicherungsobjekten nämlich, welche zu sehr yohen Summen versichert sind,
kann es vorkommen, daß die Versicherungsgesellschaften die Versicherungsobjekte
nicht annehmen, weil dieselben die festgesetzte Maximalsumme übersteigen. In
diesem Falle, wenn besonders hohe Beträge versichert werden wollen, können
mehrere Versicherungsgesellschaften sich vereinigen, um eine derartige höhere Summe
gemeinsam zu versichern. Diese Form bezeichnet man als Beteiligungsversicherung.
(Ausführl. über das Versicherungswesen vergl. bei Masius: Lehre der
Versicherung; L. Schmidt: das Ganze des Versicherungswesens; A. Emming
haus: im Handwörterbuch der Volkswirtschaftslehre von H. Rentzsch; Makowizka,
in Bluntschlis Staatswörterbuch; Wagner in Schönbergs polit. Okonomie.)
X. Handelspolitik und Handelspflege.
Unter Handelspolitik versteht man die Einwirkung der Staatsregierungen
auf den Handel ihrer Länder. Da der Handel in weit höherem Grade als die
Rohproduktion und auch als die industriellen Gewerbe von der Natur unab
hängig ist und weit mehr als jene vom Menschen gemacht erscheint, ist es auch
begreiflich, daß er weit leichter von den Staatsregierungen gefördert oder ge
hindert, beschränkt oder in gewisse Richtungen gelenkt werden kann.