VII. Das Bankgeschäft.
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anders. Es kann mit lebhaftem Zuflusse ein minder lebhaftes Abströmen oder
mit spärlichem Zuströmen ein weit stärkeres Abfließen sich vereinigen. Und diese
verschiedenen Eventualitäten können eintreten bei einem niedrigen, bei einem
mittleren oder bei einem hohen Stande des Barschatzes, bei einem niedrigen,
mittleren oder hohen Stande des Zinsfußes.
Es ist natürlich, daß jede dieser verschiedenen Kombinationen eine andere
Phase des wirtschaftlichen Gesundheitsstandes anzeigt.
Je nachdem der Unternehmungsgeist der Nation bald darniederliegt und
einzufrieren droht, oder in anderen Fällen sich aufbläht und in schwindelhafter
Überstürzung vorwärts hastet; je nachdem zu manchen Zeiten die Mehrzahl der
Unternehmungen als gelungene oder als mißlungene erscheint, muß sich auch die
Nachfrage nach Leihkapital und das Angebot desselben ganz verschieden gestalten.
Die Banken aber, als die großen Maschinen, welche das Leihkapital auf
nehmen und abgeben, fühlen alle diese Regungen des Unternehmungsgeistes.
Fällt derselbe in den Zustand starker, spekulativer Erregung, so suchen sie
ihn durch Hinaufsetzung ihres Zinsfußes zu dämpfen; droht er, in Unthätigkeit
zu stagnieren, so bemühen sie sich, ihn anzuregen. Dabei müssen sie aber natür
lich vor allem stets auf ihre eigene Sicherheit und Zahlungsfähigkeit bedacht sein.
Der nationale Unternehmungsgeist verteilt sich aber auf viele-tausende von
Unternehmungen: auf solide und unsolide, kleine und große. Seine kühnsten
Thaten vollbringt er bekanntlich auf dem Gebiete der Großindustrie, des Groß
handels und der großen Verkehrsunternehmungen. Und deren Hoffnungen und
Erfolge, nicht allein die wirklichen, sondern auch die erlogenen, finden ihren Aus
druck an der Börse. Die Börse ist die personifizierte Spekulation, wie die
Banken der personifizierte Kredit sind. Ein Zusammenhang besteht notwendig
zwischen beiden. Und wenn die Spekulation große Fehler gemacht hat, ist es
unvermeidlich, daß auch der Kredit diese Fehler verspürt. Aber er sollte sie
nicht so stark verspüren, daß er in seiner organisierten, geregelten Form, d. h.
in den Banken, erschüttert wird. Darum dürfen sich die Banken in keine enge
Verbindung mit der Spekulation einlassen. Wenn sie das thun, hören sie auf
eigentliche Banken zu sein und werden zum Credit Mobilier.
9. Bankähnliche Creditinstitute.
I. Creditanstalten (Credit Mobiliers.) Unter Creditanstalten versteht man
im weiteren Sinne des Wortes überhaupt alle diejenigen Anstalten, welche für
die Vermittlung des Credits sorgen, also neben anderen namentlich auch die
Banken. In einem engeren Sinne, in welchem der Ausdruck gebraucht wird,
versteht man darunter yeutzutage die sog. Creditmobiliers, welche speziell eine
Schöpfung der neueren Zeit sind.
Die Creditmobiliers sind Unternehmungen, welche neben den eigentlichen
Bankgeschäften noch die Wertpapierspekulation, ein Geschäft in industriellen
Unternehmungen und namentlich auch ein Warengeschäft im großen betreiben.
Das Geschäft des Creditmobiliers unterscheidet sich daher nur dem Umfange nach
von den meisten Privatbankgeschäften. Das Charakteristische an ihnen ist, daß
sie als große öffentliche Aktiengesellschaften auf eigene Rechnung dieselben ris
kierten Geschäfte betreiben, welche eigentlich wegen ihres Risikos und der zu
ihrer Betreibung notwendigen Raschheit und Vorsicht nur von dem Privatbankier
betrieben werden sollten. Manche dieser Kreditanstalten sind nach größeren oder
kleineren Verlusten von dem eigentlichen Spekulationsgeschäft wieder zu dem
solideren reinen Bankgeschäft zurückgekehrt.
Die erste, später übelberüchtigte Anstalt, die hierher gehört, ist der Pariser
Creditmobilier, 1852 von den Gebrüdern Pereire gegründet. Zweck dieser Ge
sellschaft, in welcher sich die Idee des Creditmobilier am großartigsten ver¬