Full text: Handbuch der gesamten Handelswissenschaften für ältere und jüngere Kaufleute, sowie für Fabrikanten, Gewerbetreibende, Verkehrsbeamte, Anwälte und Richter (1)

Allgemeine Handelslehre. 
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Annuitäten. Dieses dringende Bedürfnis nach dem System der Unkündbarkeit, 
nach der langsamen und allmählichen Tilgung der Hypothekschulden zieht sich 
wie ein roter Faden durch das ganze Bodenkreditwesen. 
Die Bodenkreditanstalten. Nach der Persönlichkeit des Unternehmers unter 
scheidet man: Anstalten der Kapitalnachfrage oder der Kreditbedürftigen und 
Anstalten des Kapitalangebots. Als erstere erscheinen hauptsächlich die ge 
nossenschaftlichen Kreditvereine, als letztere die Banken. 
Ferner sind Privat= und Staatsanstalten zu unterscheiden. 
Beide Arten haben ihre Vorteile und ihre Nachteile. Die landwirtschaft 
lichen Kreditanstalten des Staates haben das Gute, daß sie immer das Wohl 
ihres Schuldners im Auge haben, und daß zugleich ihre Wirksamkeit eine all 
gemeine und umfassende sein kann. Ihre Mängel liegen darin, daß der Staat 
immer teurer verwaltet, als Privatanstalten, daß die Operationen solcher An 
stalten langsamer sind und eine gewisse Zentralisation, die mit der Landwirt 
schaft unvereinbar ist, nötig ist. Anderseits haben die Staatsanstalten den 
Vorteil, daß sie sich an die gesamte Staatsverwaltung anlehnen können. 
Jedenfalls ist der Staat berufen, solche Anstalten da zu errichten, wo das 
wirtschaftliche Treiben nicht Kraft genug hat, um sie auf dem Privatwege ins 
Leben zu rufen. 
Nach den Mitteln und Einrichtungen solcher Anstalten unterscheidet man: 
I. Landwirtschaftliche Kreditvereine, d. i. Vereinigungen von Grundbesitzern, 
welche den Zweck haben, jedem Mitgliede der Vereinigung unter gemeinsamer 
Verbürgung Darlehenskapitalien zu verschaffen. Sie sind also Associationen 
der Kapitalnachfrage. Den Kredit ihrer Mitglieder machen sie dadurch thätiger 
und wirksamer, daß er in eine größere Anstalt hineinfließt und ein Teil eines 
größeren Kredits wird. 
Diese Anstalten haben meist das sogenannte Pfandbriefsystem an 
genommen. Pfandbriefe sind Wertpapiere au porteur oder auf Namen, welche 
hypothekarische Schuldurkunden repräsentieren. Sie stellen sich dar als Schuld 
urkunden, durch welche der Verein sich verpflichtet, dem Pfandbriefbesitzer für 
sein Kapital und richtige Zinszahlung zu haften. Der Schuldner des Vereins 
erhält als Darlehen Pfandbriefe; diese kann er verkaufen. Damit entsteht eine 
doppelte Forderung und eine doppelte Berechtigung. Der Pfandbriefinhaber 
und der Verein sind Gläubiger des Schuldners, der Pfandbriefschuldner und 
der Verein Schuldner des Pfandbriefinhabers geworden. 
Die Pfandbriefe sind meistens unkündbar; ihr Zins ist in der Regel ein 
unveränderlicher; die Fonds können sehr klein sein. 
II. Die Bodenkreditbanken. Die Thätigkeit der Banken bezüglich des 
Bodenkredits ist eine viel umfassendere, als die der Kreditvereine. Viele Banken 
machen zwar häufig auch Geschäfte in Hypothekarkredit; aber hauptsächlich pflegen 
sie den Mobiliarkredit. Erst in neuerer Zeit sind eigene Bodenkredit= oder 
Hypothekenbanken gegründet worden. 
Der hauptsächlichste Unterschied zwischen den Banken und den Kreditvereinen 
liegt darin, daß die Kreditvereine Kapital suchen und Sicherheitsgarantien dafür 
bieten, während die Banken Kapital bieten und Garantien dafür verlangen. 
Die einzelnen Formen der bankartigen Bodenkreditanstalten sind sehr mannig 
fach. Ausschließliche Bodenkreditbanken gibt es nur wenige; wohl aber zahl 
reiche Banken, welche neben dem Handelskredit auch den Immobiliarkredit pflegen, 
wobei der Schwerpunkt in dem einen oder dem anderen Geschäft liegen kann. 
Von den landwirtschaftlichen Kreditvereinen haben auch die Hypothekenbanken 
Pfandbriefsystem angenommen. 
das 
Die Hauptbedingung für das Gedeihen und den reellen Betrieb der Hy 
pothekenbanken, welche daneben auch noch Mobiliarkreditgeschäfte treiben, liegt
	        
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