Full text: Handbuch der gesamten Handelswissenschaften für ältere und jüngere Kaufleute, sowie für Fabrikanten, Gewerbetreibende, Verkehrsbeamte, Anwälte und Richter (1)

Allgemeine Handelslehre. 
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Die Handelsbilanz kann am genauesten nur nach den Zolllisten berechnet 
werden. Aber auch diese Berechnung hat an manchen Irrtümern und Un 
genauigkeiten zu leiden. Der Hauptgrund, weshalb die Zolllisten den Aus- und 
Einfuhrhandel nicht vollständig und genau zur Darstellung bringen, liegt darin, 
daß die Qualität der Waren aus den Zolllisten nicht sicher zu erkennen ist, weil 
sehr häufig von den Eigentümern geringere, vielleicht niedriger verzollte Quali 
täten angegeben werden, ferner darin, daß die Preise der Waren sich in keiner 
Weise ganz richtig angeben lassen. Läßt man nämlich bei der Verzollung die 
Preise der Waren von den Eigentümern angeben, so ist nicht zu erwarten, daß 
eine derartige Angabe mit der Wirklichkeit übereinstimme. In der Regel werden 
die Warenpreise zu gering angegeben werden. Wenn sich dagegen die Zoll 
behörden amtlicher Schätzungen bedienen, so stimmen dieselben fast niemals mit 
den wirklichen Preisen überein. Denn solche Tabellen können aus Rücksicht für 
die Zollbeamten nur für längere Perioden aufgestellt werden, und deshalb gibt 
es zwischen den offiziell aufgestellten und den wirklichen Werten oft Preis 
differenzen von vielen Millionen. Ein unveränderlich angenommener Preissatz 
kann bei der Anfertigung der Zolllisten wenigstens den Vorteil bieten, daß sich 
daraus die jeweiligen Warenmengen leicht erkennen lassen. 
Auch daran leidet die Beurteilung des Warenhandels nach den Zolllisten, 
daß sie die durch den Schmuggel ins Land gebrachten Warenmengen nicht an 
geben kann. Die über die Grenze gepaschten Waren erscheinen nicht in den 
Zolllisten und stören die Aufstellung einer richtigen Handelsbilanz. 
Auch kann in einer ganzen Volkswirtschaft die Rechnung über Gewinn und 
Verlust niemals so geführt werden wie in der kaufmännischen Buchhaltung. Der 
einzelne Geschäftsmann kann freilich am Jahresschlusse bei der Inventaraufnahme 
die verringerten Werte abschreiben; in der ganzen Volkswirtschaft ist etwas der 
artiges nicht möglich. Die bloße Ziffer der Mehrausfuhr oder Mehreinfuhr läßt 
deshalb keinen Schluß auf eine Vermögensmehrung oder -Minderung ziehen. 
Der Zwischenhandel. 
Der Zwischenhandel, früher auch „Okonomiehandel" genannt, hat den 
Zweck, Waren anderer Länder gegeneinander auszutauschen. Eine Zunahme zum 
Volksvermögen ergibt sich dabei nur aus dem Gewinn und Arbeitslohne der Kauf 
leute und ihres Hilfspersonals. Die Eigentümlichkeiten des Zwischenhandels sind: 
I. Er fordert bedeutende Kapitalien, denn seine Unternehmungen sind 
nur 
im großen einträglich und der Umsatz erfolgt langsam. 
II. Er leidet häufiger an Unterbrechungen und Störungen, als irgend 
ein anderer. 
III. Er eröffnet dem Volke, das ihn treibt, also keine inneren, keine dauernden 
wirtschaftlichen Lebensquellen. 
Der Zwischenhandel wird indessen manchmal durch die Verhältnisse sehr unter 
tützt. Wenn durch ein Land der Zug des Handels, eine große Welthandels 
straße geht, wenn es am Meere, an großen schiffbaren Strömen liegt, hat es 
wohl Veranlassung und günstige Gelegenheit zum Zwischenhandel. Solche Völker 
erwerben sich durch Geschicklichkeit und Unternehmungsgeist in der Schiffahrt 
und im Handel oft für lange Zeit die Vorhand gegenüber anderen Völkern. 
So die alten Araber und Phönizier mit ihrem indisch-europäischen Zwi 
schenhandel. Der Warenzug am Rhein bereicherte die alten rheinischen Handels 
städte, namentlich Köln; der Warenzug an der Donau die Städte Ulm, Regensburg 
Wien; der Warenzug durch das Mittelländische Meer die italienischen Seestädte. 
Der Zwischenhandel hat den Nachteil, daß eine Änderung des Handelszuges 
den auf seiner Basis emporgebauten Wohlstand der zwischenhändlerischen Nationen
	        
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