Full text: Handbuch der gesamten Handelswissenschaften für ältere und jüngere Kaufleute, sowie für Fabrikanten, Gewerbetreibende, Verkehrsbeamte, Anwälte und Richter (1)

VI. Volkswirtschaftliche Wirkungen des Warenhandels. 
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wert erst später in Empfang genommen wird und umgekehrt, so kann die Ein 
fuhr eines Jahres verschieden sein von der Ausfuhr desselben Jahres. 
3. Wenn Aus= und Einfuhr nach den inländischen Preisen berechnet werden. 
so muß die Einfuhr um so viel größer erscheinen, als die Kosten des Trans 
portwesens für die eingeführten Waren und die beim Einfuhrhandel gemachten 
Gewinnste der Kaufleute ausmachen. 
Die Handelsbilanz. 
Die Lehre von der Handelsbilanz hat lange Zeit eine sehr wichtige Rolle 
in der Theorie und in der Politik des Handels gespielt. Man verstand und 
versteht heute noch unter Handelsbilanz das Verhältnis der Tauschwerte der ein 
geführten und der ausgeführten Waren. Die Handelsbilanz soll darstellen, ob 
eine Nation bei ihrem Verkehr mit dem Auslande gewonnen oder verloren hat, 
ob ihr Vermögen durch diesen Verkehr gestiegen oder geringer geworden ist. 
Von einer Nation, deren Warenausfuhr, in Geld angeschlagen, bedeutender i 
als die Wareneinfuhr, sagt man, ihre Handelsbilanz sei günstig; im entgegen 
gesetzten Falle ungünstig. Diese Ausdrücke und die ganze Anschauung, welche 
durch sie repräsentiert wird, haben ihren Grund darin, daß man diejenigen Be 
dingungen, welche für die Privatwirtschaft gelten, auf den volkswirtschaftlichen 
Organismus übertragen hat. Wie der einzelne Kaufmann am Jahresschlusse 
aus seinem Soll und Haben die Bilanz zieht, so soll auch, meint man, der 
Staat den Geldwert der Einfuhr dem Geldwerte der Ausfuhr gegenüberstellen 
und die Differenz beider Werte sodann den Gewinn des Jahres repräsentieren. 
Den Handelsbilanzen liegt immer bloß der Preis der ein- und ausgeführten 
Waren, nicht ihr Gebrauchswert zu Grunde. Darin liegt schon ein großer 
Jectum. Denn wenn man den wirtschaftlichen Zustand einer ganzen Nation 
beurteilen will, so kommt es vor allem auf den Gebrauchswert ihrer Güter 
nicht auf deren Preis an. 
Die Lehre von der Handelsbilanz verkennt vollständig das Wesen der inter 
nationalen Arbeitsteilung, die wichtigsten Grundlagen der Produktion und der 
Konsumtion. Die Ausfuhr gehört der Produktion an, die Einfuhr dagegen der 
Konsumtion. In den Verhältnissen der Aus- und Einfuhr muß sich deshalb 
das Verhältnis von Produktion und Konsumtion spiegeln. Die ziffermäßige 
Vergleichung von Aus= und Einfuhr kann nur nach den Preisen der berechneten 
Waren geschehen. 
In der Regel müssen diejenigen Leistungen, welche zwei Völker im inter 
nationalen Handel für einander vornehmen, notwendig gleich sein. Und ebenso 
muß auch die Summe jener Werte, welche ein Volk in einem bestimmten Zeit 
raume für alle anderen Völker aufwendet oder denselben schuldig wird, jener 
Summe gleich sein, die es dafür empfängt. Dabei müssen aber in die Berech 
nung eingeschlossen werden nicht allein Warensendungen und Geldsendungen, 
sondern auch Ausgaben und Arbeitsleistungen, welche die Angehörigen des einen 
Landes für die Bewohner eines anderen Landes machen. 
Wenn bei der Berechnung einer Handelsbilanz ein Volk mehr auszugeben 
scheint, als es einnimmt, so kann das herrühren von unrichtigen Berechnungen 
oder von solchen Leistungen zwischen den Völkern, welche nicht aus Handels 
geschäften herkommen, welche also auch nicht notwendig gleich sein müssen. 
Solche einseitige Leistungen können 
1. von den Regierungen gemacht werden; z. B. Kriegsentschädigungen, 
Subsidien und dergleichen; oder 
2. durch den Privatverkehr, z. B. durch auswanderndes Vermögen, Erb 
schaften, Gewinnste und dergleichen, die ins Ausland gehen, durch das im Aus 
lande verzehrte Vermögen u. s. f.
	        
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