Allgemeine Handelslehre.
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seine Aufgabe richtig erfassen soll, so muß er einesteils sein Publikum kennen.
andernteils die Manuskripte beurteilen können. Für die Beurteilung des Publi
kums ist die Erfahrung im Sortimentsbuchhandel wertvoll. Der Sortiments
buchhändler lernt den Geschmack des Publikums zuerst und im kleinen, ohne
Gefahr kennen. Der direkte Verkehr mit dem Publikum verschafft dem Verleger
die Bekanntschaft mit dem Geschmack des Publikums.
Um die Manuskripte richtig beurteilen zu können, ist eine bedeutende eigene,
allgemeine Bildung des Verlagsbuchhändlers erforderlich. Sowie der Verleger
bei der Beurteilung der Manuskripte nicht mehr selbständig zu Werke gehen
kann, sondern sich auf das Urteil eines Fachmannes verlassen muß, läuft er Ge
fahr, ein einseitiges Urteil zu vernehmen. Der Verleger soll also gelehrte Kennt
nisse besitzen und dieselben geschäftsmäßig anwenden.
Der Verlagsbuchhändler würde einen kleinlichen Standpunkt einnehmen,
wollte er bei jedem einzelnen Buche die Geschäftsberechnung über den zukünftigen
Ertrag desselben ausschließlich maßgebend sein lassen. Die Natur der Bücher
produktion wie der Bücherkonsumtion verlangt eine gewisse Abwechslung und
erreicht nur durch diese ihre höchste Ausbildung. Wenn ein Buch vom Publikum
stark gekauft wird, andere nur geringen Absatz finden, so ist sehr häufig der
Verlag der letzteren doch kein wirtschaftlicher Fehler. Es liegt im Wesen des
Verlagsgeschäftes, daß der Ausfall, der dem Geschäfte durch minder gut gehende
Werke entsteht, durch die besseren gedeckt wird. Aber sehr häufig wird ein und
derselbe Autor Werke schreiben, welche sehr verschiedenen Absatz finden, und ebenso
werden auch über ein und denselben Gegenstand von mehreren Autoren Werke
geschrieben, welche bei vielleicht gleichem inneren Werte doch verschiedenen Absatz
finden. Nicht selten mag es geschehen, daß ein Buch, welches vielleicht wenig
gekauft wird, doch den Ruf des Verlegers und des Autors verbessert. Dann
wird durch seine moralische Wirkung die ökonomische ausgeglichen. Sehr be
deutende Verleger haben deshalb nicht selten Werke angenommen, von welchen
sie sicher einen Verlust erwarten durften. Sie thaten dies in der Überzeugung,
daß nicht das einzelne Werk, sondern der Gesamtverlag den gebührenden kauf
männischen Gewinn bringen müßte.
Die Kritik übt auf den Absatz der Bücher an das Publikum einen wesent
lichen Einfluß. Sie besteht in einer Besprechung des Inhaltes der erschienenen
Bücher, wobei ein Urteil über dieselben gelegentlich mit abgegeben wird. Die
Kritik wirkt dabei einesteils durch ihre Gediegenheit und Gewissenhaftigkeit, die
freilich sehr verschieden ist, anderseits durch ihre Verbreitung, je nachdem sie
also mehr oder weniger in das Publikum dringt.
Wenn der Verleger die ihm von den Autoren zum Verlag angebotenen
Werke zu beurteilen im stande sein soll, ist es nötig, daß er sich auf Speziali
täten beschränke. Wie weit diese Beschränkung getrieben werden müsse, das ist
natürlich eine Frage, über welche der Unternehmungsgeist und der Kapitalbesitz
des einzelnen Verlegers entscheiden. Sehr häufig kann ein Verleger recht wohl
mehrere verwandte oder wenigstens nahe liegende Gebiete der Litteratur zusam
men zu seinem Arbeitsfelde nehmen. Es gibt ja überhaupt viele Werke, welche
ebensogut zu dieser, wie zu jener Spezialität der Litteratur gerechnet werden
können. Ein wesentlicher Unterschied in den Verlagsartikeln liegt zunächst
darin, ob dieselben dem Bedürfnis der Belehrung oder dem Bedürfnis der
Unterhaltung dienen.
Was die wissenschaftliche Litteratur betrifft, so werden Werke, welche
an sich ein Ganzes ausmachen, eine ganze wissenschaftliche Disciplin umfassen,
in der Regel größeren Absatz finden, als Bücher über einzelne Gegenstände.
Deutliche, leicht faßliche und systematisch geschriebene Bücher werden in der Regel
den Vorzug finden; ebenso Bücher von bereits bekannten Autoren, sowie solche,