Allgemeine Handelslehre.
502
bringt den Produzenten auch mit dem Konsumenten und dem Detailhändler in
nähere Berührung, wobei jener leichter auf einzelne Mängel in der Produktion
aufmerksam gemacht wird. Wird die fehlerhafte Ware als solide verkauft,
so
ist dies freilich kein Vorteil der Messe, sondern einfach Betrug; wird dagegen
die fehlerhafte Ware als solche bezeichnet, so ist der Verkauf derselben nicht not
wendig an die Messe gebunden. Ein Kommissionär kann dafür ebensoleicht
Absatz bieten, als die Messe. Ebenso kann auch der Agent oder Kommissionär
die Funktion eines Kritikers der Ware ausüben.
V. Die Hauptzweige des Warenhandels.
Unterscheidet man den Warenhandel nach den wichtigsten Warengruppen,
so ergeben sich etwa folgende Hauptzweige desselben:
1. Der Landesproduktenhandel.
Der Landesproduktenhandel beschäftigt sich mit den Bodenprodukten des
eigenen Landes und bringt dieselben, in der Regel ohne technische Veränderungen
auf den Markt. Nur ausnahmsweise finden bei einzelnen Waren vorbereitende
technische Thätigkeiten statt. Im Landesproduktenhandel wird noch ein großer
Teil der Waren direkt vom Produzenten an den Fabrikanten oder an den Kon
sumenten, ohne Vermittlung des Kaufmanns, abgesetzt. Ein selbständiger Handel
mit Landesprodukten macht erst bei höherer Wirtschaftsentwicklung die Städte
zu Stapelplätzen derselben. Kreis- und Provinzialstädte, die für den Handel
günstig gelegen sind, werden zu Mittelpunkten, wo sich die Landesprodukte,
welche die Umgebung liefert, ansammeln, und von wo dieselben nach den anderen
Landesteilen, die ihrer bedürfen, geschafft werden, oder nach den großen Handels
plätzen kommen, um nach dem Ausland exportiert zu werden. Mit den euro
päischen Landesprodukten konkurrieren schon vielfach landwirtschaftliche Produkte
überseeischer Länder, zu Welthandelsartikeln geworden (z. B. amerikanisches Ge
treide und Fleisch; australische Wolle). Die einzelnen Unterabteilungen des
Landesproduktenhandels sind:
a) Der Getreidehandel oder Kornhandel befaßt sich mit den gewöhnlichen
Getreidearten: Weizen, Roggen, Gerste, Hafer, Spelz; aber auch mit Mehl und
Hülsenfrüchten. Er ist selbstverständlich am lebhaftesten in den Ländern, welche
Getreide zur Ausfuhr bringen. In Europa ist dies vorzugsweise der Fall in
den Donauländern; Österreich jenseits der Leitha, Rumänien, ferner in Süd
rußland, Polen, Dänemark, Preußen; sodann in Nordamerika. Den inländischen
Getreidehandel treiben die mittleren und größeren Grundbesitzer, Müller, auch
eigene Getreidehändler.
Die Schwankungen der Getreidepreise erscheinen als hochwichtig, wenn man
bedenkt, daß das Getreide dem gleichmäßigsten, jeden Tag wiederkehrenden Be
dürfnis des Menschen dient und die Schwankungen seines Preises tief nicht
nur in das wirtschaftliche, sondern in das ganze sittliche und gesellschaftliche
Leben der Menschheit eingreifen. Jahr für Jahr ist es der günstige oder un
günstige Ertrag der Ernte, welcher Preisunterschiede verursacht. Ist das Er
gebnis eine Mittelernte, so werden sich auch Mittelpreise gestalten; bei vor
züglichen und schlechten Ernten dagegen weichen, wenn die Nachfrage gleich
bleibt, die Preise nicht bloß in demselben Grade, wie das Ernteergebnis gegen
die Mittelerträge, sondern noch weit stärker von den Mittelpreisen ab. Neben
den zeitlichen Schwankungen der Getreidepreise zeigen sich auch die etwas ge
ringeren räumlichen Unterschiede. Wohlhabende, gewerbreiche und handels
thätige Länder haben höhere, reine Agrikulturländer schlechtere Preise. Jede