Grundzüge der Nationalökonomie.
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gleiches Einkommen beziehen. Es würde auch Niemand sein Kapital in irgend
einem gefährlichen Unternehmen riskieren wollen und der Fortschritt der Pro
duktion würde dadurch abgeschnitten.
Ein anderer idealer Zustand der Verteilung des Volkseinkommens würde
darin liegen, wenn das Volkseinkommen vollständig nach Verdienst und Leistung
verteilt wäre: wenn derjenige reich wäre, der es verdient reich zu sein, und der
jenige arm, der es nicht wert ist reich zu sein. Ein solcher Zustand läßt sich
wohl denken, aber die Mittel ihn herbeizuführen, existieren noch nicht. (Aus
führlicheres darüber unten.
Die wirklichen Zustände der Verteilung des Volkseinkommens ent
fernen sich bald mehr, bald weniger von den idealen. Dort, wo die Verteilung
noch am besten gestaltet ist, ist sie derart, daß es neben den großen und kleinen
auch mittlere Einkommen gibt. Je zahlreicher die Mittelklasse des Einkom
mens, je geringer die Unterschiede zwischen dem geringsten und größten Ein
kommen, je mehr das Einkommen mit den Verdiensten wächst, um so günstiger
ist das Verhältnis. Es ist dagegen um so ungünstiger, je mehr sich die ver
schiedenen Grade des Einkommens von einander entfernen, je mehr der Mittel
stand verschwindet und eine tiefe Kluft zwischen Reichtum und Armut sich zeigt.
Allzu ungleiche Verteilung des Einkommens führt zur Geldherrschaft und zum
Proletariat, zur Demoralisation und schließlich zum Untergang von Völkern
und Staaten.
Bestandteile des Einkommens, Einkommenszweige.
Alles Einkommen besteht aus Kostenersatz und Gewinn. Der Kosten
ersatz besteht wiederum aus dem Ersatz der verwendeten Arbeit und aus dem
Ersatz der zur Erzielung des Einkommens angestrengten Kapitalien. Diesen
beiden Bestandteilen des Kostenersatzes entsprechen zwei Zweige des Einkom
mens: nämlich das Einkommen aus Arbeitsthätigkeit oder der Arbeitslohn,
und das Einkommen aus Kapitalbesitz oder der Kapitalzins. Es zeigt sich
aber, daß bei manchem Einkommen die Arbeit als Erzeugerin des Kapitals
und das Kapital selbst zurücktritt gegenüber jener Thätigkeit, welche die Ver
einigung von Kapital und Arbeit herstellt und wobei der Gewinn in
Vordergrund tritt. Demgemäß ist dieser als der dritte Zweig des Einkommens
besonders zu betrachten. Arbeitslohn, Kapitalzins und Gewinn bilden mit
einander das ganze Volkseinkommen. Sie stehen niemals und nirgends in
gleichem oder dauernden Verhältnisse zu einander und zum ganzen Volksein
J.
kommen. „st einer von den Einkommenszweigen im Verhältnis zu den anderen
gestiegen oder gesunken, so strebt die Volkswirtschaft darnach, das gestörte
Gleichgewicht wieder herzustellen. Mit allem wirtschaftlichen Fortschritte scheiden
sich die Einkommenszweige immer mehr von einander und ihr Einfluß auf
den Menschen wird immer schärfer ausgeprägt. Mehr und mehr scheidet sich
der eigentliche Lohnarbeiter von dem Kapitalisten und von dem Unternehmer,
dessen Einkommen vorzugsweise aus Gewinn besteht. Das ganze Leben dieser
Klassen gewinnt immer mehr trennende Merkmale. Die Verschiedenheiten der
einzelnen Menschen, die schon durch die Natur und die Erziehung in sie gelegt
sind, werden durch ihre wirtschaftliche Stellung noch vergrößert. Wo das ganze
Volkseinkommen wachsen soll, können auch die Einkommenszweige gleichmäßig
wachsen. Nur bei gleichmäßiger Entwickelung kann der nationale Wohlstand
im ganzen gedeihen.
Dasjenige Einkommen, welches ausschließlich durch Naturthätigkeit
dem Menschen zukömmt, entzieht sich so ziemlich der volkswirtschaftlichen Be
trachtung. Denn sowie man anfängt, gewisse Regelmäßigkeit an ihm zu beob
achten, gehört es nicht mehr der Natur an, sondern der Arbeit oder dem Kapital.