Grundzüge der Nationalökonomie.
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Nicht allein Grundlagen, sondern auch Vorbilder des menschlichen Verkehrs
finden sich schon in der Natur. Die ganze Natur lebt in einem beständigen
Austausch von Stoffen und Kräften, von Wärme und Bewegung. Ihre Lichter
und Geräusche pflanzen sich fernhin fort; ihre Gewässer sind in unaufhörlicher
Bewegung; das Meer gibt Feuchtigkeit durch Verdunstung ab und erhält neue,
durch die ihm zuströmenden Flüsse; die pflanzlichen Organismen nehmen mine
ralische Stoffe auf, um ihrerseits an Tiere Nahrungsmittel abzugeben.
So ist die Bewegung, der Austausch von Kräften und Stoffen ein Grund
gesetz alles Lebens auf Erden und insbesondere auch des menschlichen Lebens.
Wäre die Natur auf der ganzen Erde überall die gleiche, hätte sie überall
ihre Schätze gleichmäßig verteilt und nur eine Menschenrasse über die Erde hin
gestreut mit stets gleichen Bedürfnissen, Anlagen und Kräften, so wäre ein Ver
kehr nicht nötig; es wäre aber auch alles geistige Fortschreiten seines wichtigsten
Antriebs ledig. Denn nur Friktion erzeugt lebhafte Geistesthätigkeit. Wo alle
das Gleiche fühlen, bedürfen, wollen und anstreben, da bedürfen sie keiner Ver
ständigung, da braucht keiner vom anderen zu lernen.
Während der moderne Verkehr den Menschen es mehr und mehr erleichtert,
die Befriedigungsmittel ihrer Bedürfnisse „an anderen Orten aufzusuchen, arbeitet
er zugleich ununterbrochen daran, diesen Befriedigungsmitteln den lokalen Cha
rakter zu nehmen und sie über die Welt zu verstreuen.
Es sind nur wenige Bedürfnisse, welche geographisch nicht verschieden sind,
welche überall in gleicher Weise befriedigt werden können. Nicht einmal der
Bedarf an Trinkwasser, gewiß ein sehr einfaches Bedürfnis, ist überall in gleicher
Weise gedeckt, sondern veranlaßt hin und wieder einen Verkehr von Ort zu Ort:
die Wasserleitungen der Römer wie der neueren Zeit.
Ein Verkehr, der keinen Tauschwert hat, ist kein wirtschaftlicher Verkehr,
gleichviel ob er Güter, Menschen oder Gedanken zum Gegenstande hat. Die
Verkehrsthätigkeit, welche bezahlt wird, ist eine wirtschaftliche. Wenn jemand
nach einem benachbarten Vergnügungsorte mit eigenen Pferden fährt, liegt darin
auch eine Verkehrsthätigkeit, aber keine wirtschaftliche, als wenn er mit einem
bezahlten Mietwagen dahin fahren würde. Der Reisende, der sein Gepäck
im Tornister mit sich trägt, besorgt ebenfalls keinen wirtschaftlichen Güterverkehr:
ein solcher wird erst daraus, wenn der Reisende den Tornister der Post oder
einem bezahlten Träger übergibt. Und ebenso steht es mit dem Gedankenverkehr.
Lassen wir durch einen Freund einem dritten eine Nachricht zukommen, so liegt
darin noch kein wirtschaftlicher Verkehr; ein solcher wird erst daraus, wenn die
Nachricht einer bezahlten Beförderung übergeben wird.
Tauschverkehr und Transportverkehr. Alle Verkehrsthätigkeit ist entweder
Tauschverkehr oder Transportverkehr oder beides zusammen.
1. Der Tauschverkehr bringt den Besitzwechsel, den Übergang von einer
Person zur anderen zu stande. Seine Grundbedingung ist die Schätzung des
Wertes der auszutauschenden Leistungen. Jede der austauschenden Personen
gibt, jede nimmt etwas und für jede muß der Wert von Leistung und Gegen
leistungen feststehen. Dann kann erst die Preisbestimmung erfolgen.
Neben der Preisbestimmung ist aber sehr häufig auch eine Messung der
Quantität nötig: Maß und Gewicht.
Damit sind die Bedingungen des Tauschverkehrs nicht erschöpft. Die
Raschheit und Bequemlichkeit des Güterumlaufes erfordert ein Tauschmittel,
das Geld.
Und weil Leistung und Gegenleistung sehr häufig nicht gleichzeitig erfolgen.
sondern durch ein zeitliches Intervall getrennt sind, ist es notwendig, daß auch
das Vertrauen auf die künftige Gegenleistung in demjenigen entsteht und sich
befestigt, der eine solche zu verlangen hat. Dieses Vertrauen ist aber der