II. Der Handel des Mittelalters.
12
Verdienste erwarben sich die Kaiser durch die Verbesserung des Verkehrs, den
Bau wahrhaft prachtvoller Straßen und die Einrichtung einer Staatspost. Vom
atlantischen Meere bis zur Südgrenze von Agypten führte ein zusammenhängender,
mit Meilensteinen versehener Straßenbau durch Europa und Afrika. In den
Provinzen erhielten und erhoben sich allerdings einzelne Handelsplätze, namentlich
in Spanien, Kleinasien, Südgallien, Agypten, Syrien ec.
Waren kamen aus allen Gegenden der damals bekannten Welt. Sizilien
lieferte Bodenprodukte, Spanien desgleichen, außerdem viel Wolle, Wein und
Ol, Gallien Fleisch und Schinken, Griechenland und seine Inseln Wein und
Delikatessen. Besonders lebhaft war der Verkehr mit Alexandria, aus welchem
man sowohl ägyptische als auch indische Ware bezog, letztere hauptsächlich Artikel
des feinsten Luxus: Edelsteine, Perlen, Seide, Gewürze, Farbstoffe, Spezereien.
Die Indier erhielten für diese Ware Metalle, namentlich Silber und Silber
zeug. Die direkten Handelsbeziehungen mit Indien nahmen zu; und unter
Kaiser Markus Aurelius Antoninus erschienen römische Legaten sogar am chine
sischen Hof. Der ungeheuren Einfuhr gegenüber vermochte Italien, außer Wein
und Ol, fast nichts mehr auszuführen. Seine Zufuhr bezahlte Rom den Pro
vinzen nur mit den Schätzen, welche es ihnen als Tribut vorher abgenommen
hatte! Die römische Gesetzgebung, so glänzend sie entwickelt war, konnte Handel
und Gewerbe nicht fördern; drückend dagegen waren die Land- und Wasserzölle,
meistens verpachtet und ein Gegenstand häßlicher Spekulationen.
Als endlich der Sittenverfall aus Rom in die Provinzen drang, der Steuer
druck immer härtet wurde, die äußeren Provinzen unter den Verheerungen und
Plünderungen barbarischer Stämme immer mehr verödeten, ging es mit der wirt
schaftlichen und politischen Kraft des Reiches zu Ende. Rom hatte fast die
ganze bekannte Welt unterjocht; es hatte seine Provinzen ausgesogen, und als
es damit fertig war, versank es unter dem Ansturme der streitbaren Germanen (476).
II. Der Handel des Mittelalters.
Die Handelsgeschichte des Mittelalters beginnt mit dem Untergange des
weströmischen Reichs 476 und endet mit der Entdeckung von Amerika 1492
und der Auffindung des Seewegs nach Östindien. Bezeichnend für dieses ganze
Zeitalter sind das germanische Volkselement, das Christentum und die Reste
der römisch=griechischen Kultur. Den Anfang des Mittelalters bezeichnet
der wilde Sturm der Völkerwanderung, jenes Entstehen und Verschwinden großer
und kriegerischer Nationen, das endlich mit dem dauernden Übergewicht des
fränkischen Stammes und dem Staatswesen Karls des Großen seinen Abschluß
findet. Ein weiteres bezeichnendes Merkmal für das ganze Mittelalter ist der
Feudalismus oder das Lehenswesen, welches seine volkswirtschaftliche und
politische Bedeutung lange festhielt. Die Wirkung des Lehenswesens war die
Zerstörung der ursprünglichen freien germanischen Gemeinde und des alten
freien Bauernstandes, sowie die Entstehung einer Gesellschaft unzähliger kleiner
Souveräne.
Das Christentum war im Mittelalter nicht allein politische und religiöse
sondern auch wirtschaftliche Macht. Zunächst zerbrach es die antike Ansicht von
der natürlichen Ungleichheit der Menschen und griff damit das Institut der
Sklaverei an. Nach der furchtbaren Verwüstung, welche zuerst in moralischer
Hinsicht durch die Sittenverderbnis der römischen Welt, dann auf dem poli
tischen Boden durch die Völkerwanderung herbeigeführt worden, lehrte das
Christentum die Völker und die Einzelnen wieder, mit allem, mit wirtschaftlicher