Handelsgeographie. Europa.
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Das Königreich Norwegen.
Das Königreich Norwegen mit 322 968 gkm und einer Bevölkerung von
1 806 900 Einwohnern umfaßt den nordwestlichen Teil der skandinavischen Halb
insel, ihre höchsten Erhebungen und steilen Abfälle nach dem atlantischen Ozean.
Die Lage dieses Landes, als des nördlichsten Europas, ist natürlich für jene
wirtschaftlichen Zweige, die von klimatischen Verhältnissen abhängen, möglichst
ungünstig, da die Hauptmasse des Landes der Kultur verschlossen ist. Kommerziell
dagegen ist die Nachbarschaft des atlantischen Ozeans entschieden günstig und
ließ lebhafte Verbindung mit dem großen Weltverkehr erwachsen. Die Küste
Norwegens gegen den atlantischen Ozean ist außerordentlich zerrissen. Fjords
und Skären sind ihre charakteristischen Eigentümlichkeiten. Die Fjords sind aber
kommerziell wertvoll, weil sie sichere und tiefe Wasserstraßen bilden, die aus
dem Meere weit ins Innere des Landes führen. Von den zahlreichen, der
Küste vorgelagerten Inseln bieten die größeren Schutz gegen Stürme, die
niedrigeren dagegen ein so dichtes Gewirr, daß sie die Schiffahrt erschweren.
Das Meer an den norwegischen Küsten ist tief und stürmisch, von vielen
Strömungen durchzogen und meistens in starker Bewegung. Der Golfstrom
sendet einen warmen Ausläufer an der norwegischen Küste entlang bis an das
Nord=Kap, erhält das Meer eisfrei und macht die Luft feucht und warm und
die Gewässer fischreich. Die innere Bodengestaltung zeigt fast nur die
höchsten Massenerhebungen der skandinavischen Felsplatte und ihre steil zer
klüfteten Abfälle nach Nordwest. Die Flüsse sind bei der gebirgigen Beschaffen
heit größtenteils reißende Bergströme und nur stellenweise der Schiffahrt zu
gänglich. Am wichtigsten der Glommen, 567 km lang und vom Mjösensee
ab regelmäßig befahren. Auch mehrere von den Binnenseen des Landes werden
mit Dampfschiffen befahren. Um die Wasserstraßen zu vermehren, hat man
Kanäle angelegt, unter welchen namentlich das System des Frederikhalske
Vasdrag wichtig ist.
Rohproduktion. Dem Bodenanbau sind durch das Klima unüberwind
liche Schranken gesetzt und deshalb starke Getreideeinfuhr nötig trotz aller An
zengungen zur Vermehrung des Kulturbodens. Die wirklich anbaufähige Fläche
beträgt nur 41 Quadratmeilen und die einheimische Ackerbauproduktion deckt nur
62% des Bedarfs. Überdies sagt der Ackerbau dem Volke nicht zu; Holz
handel, Fischerei und Schiffahrt sind lohnendere Beschäftigungen. In den höher
gelegenen Landesteilen bildet die Viehzucht einen wichtigen Erwerbszweig
obwohl sie auch den inländischen Bedarf nicht deckt. Die Tiere finden im Sommer
auf den Bergweiden gute Nahrung, werden aber im Winter erbärmlich gehalten.
Die Wälder sind neben der Fischerei die ergiebigste Quelle des Volksein
kommens; allerdings in der letzteren Zeit mit solcher Wut ausgebeutet, daß sie
schon sehr verwüstet sind, namentlich im Westen, wo sie für das Bedürfnis des
Landes nicht mehr ausreichen und die Entwaldung schon auf das Klima wirkt.
Das Holz wird meist zu Brettern, Balken und Planken verarbeitet und so
exportiert; namentlich an den schiffbaren und flößbaren Flüssen hat der Holz
handel große Wohlhabenheit verbreitet. Die Holzausfuhr ist mit einem ziemlich
hohen Ausfuhrzoll belastet. An Wild finden sich noch Pelztiere und viel Ge
flügel, unter welchem die Eidergänse wertvolle Daunen zur Ausfuhr liefern.
Die ergiebigste Erwerbsquelle für das Land ist die seit mehr als 1000
Jahren an der Westküste betriebene Fischerei. Die Fischschwärme sind nie
mals ausgeblieben, weshalb man annehmen darf, daß sie auch immer wieder
kommen werden. Der Fischhandel datiert schon aus dem 15. Jahrhundert und
beschäftigt die Fischerei jetzt 150—200 000 Menschen. Von besonderer Wichtig
keit ist der Stockfischfang, der hauptsächlich an der Inselkette der Lofodden