IV. Der Handel der neuesten Zeit.
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Zwischen den Ackerbaustaaten am Ohio, Mississippi und Michigan und den
Minenstaaten am stillen Ozean liegen eine Reihe von Staaten und Territorien,
die erst in neuerer Zeit aufgeschlossen wurden. In diesem Übergangsgebiete,
welches von Texas im Süden bis nach Minnesota im Norden reicht, sind die
gesamten Wirtschaftszustände erst im Werden. Aber über dieses unentwickelte
Gebiet hin hat der unternehmende Geist der Amerikaner schon mehrfache Eisen
bahnlinien (Pacificbahnen) gespannt, an deren End- und Knotenpunkten wie
mit einem Zauberschlage Städte mitten in der Wüste entstanden.
Die Überschwemmung der pacifischen Staaten mit chinesischen Arbeitern
führte zu einer Bill (1882) des Repräsentantenhauses, dergemäß die Einwan
derung der Chinesen für 10 Jahre suspendiert wird.
Mexiko. Als spanische Kolonie war Mexiko seit seiner Eroberung durch
Ferdinand Cortez möglichst schlecht verwaltet worden. Ackerbau, Gewerbe und
Handel waren auf die Anfänge beschränkt, die Bevölkerung in Unwissenheit ge
blieben, für den Verkehr so gut wie nichts geschehen; das Land konnte fast nur
Edelmetalle ausführen. Mit der Vertreibung der Bourbonen aus Spanien kam
auch für Mexiko die Zeit der Unabhängigkeit. 1810 begannen die Mexikaner
ihren Befreiungskrieg; 1824 konstituierte sich die Republik. Dann aber zer
rütteten fortwährende Parteikämpfe das Staatswesen, während welcher Texas
und Kalifornien verloren gingen und das wirtschaftliche Leben keine Fortschritte
machen konnte. Eine französische Okkupation schaffte einigermaßen Ordnung
und errichtete ein Kaisertum. Unter Kaiser Maximilian schien das Land seit
1864 geordneten Zuständen entgegenzugehen; aber es war nicht zu regieren,
Maximilian wurde 1867 erschossen und seither herrscht in Mexiko wieder die
den Indianer- und Mischlingsstaaten eigentümliche Anarchie. In den Gruben
unternehmungen wurde englisches Kapital thätig; des Großhandels bemächtigten
sich an vielen Plätzen Deutsche mit Erfolg; industrielle Etablissements wurden
durch Franzosen errichtet. Aber der Verkehr blieb unsicher; eine erste wichtige
Eisenbahnlinie (Mexiko=Veracruz) wurde 1863 eröffnet. Der Handel hat zwar
bedeutend zugenommen, aber doch nicht in dem Maße, als es den reichen Hilfs
quellen des Landes entspräche. Im Mittel der Jahre 1825—1828 betrug die
Einfuhr 14, die Ausfuhr 9 Mill. Dollars; das stieg in den Jahren 1884 und
1885 auf 35 resp. 46 Mill. Dollars.
Zentralamerika, welches nach Mexiko ebenfalls von den Spaniern erobert
und eben so schlecht verwaltet worden war, wie der ganze spanische Kolonial
besitz, wurde zu Anfang des Jahrhunderts in den Aufruhr dieser Kolonien
mitgezogen." 1811 empörte sich zuerst die Provinz San Salvador gegen das
Mutterland; und als diese erste Empörung nach unbedeutendem Kampfe unter
drückt war, wurde 1821 mit mehr Erfolg die Unabhängigkeit proklamiert. Die
Absicht eines Teils von Zentralamerika, sich Mexiko anzuschließen, hatte einen
Bürgerkrieg zur Folge; schließlich (1823) organisierten sich die fünf Staaten
Guatemala, San Salvador, Honduras, Nicaragua und Costa-Rica
als Republik der Vereinigten Staaten von Zentralamerika. Doch bald zerfiel
diese Union wieder; fortwährende Parteikämpfe und Bürgerkriege zerrütteten die
fünf Republiken, die sich nun selbständig ihre Verfassungen gaben; Nicaragua
1858, Honduras 1865, Costa-Rica 1871. Guatemala hatte 25 Jahre lang
eine klerikale Regierung, welche 1871 gestürzt wurde; San Salvador wurde
demokratische Republik. Zu den politischen und religiösen Parteiströmungen
kommen Rassenkonflikte, so daß in diesen Republiken ein geordnetes Wirtschafts
leben keinen Boden gewinnen konnte. Auf die Ausbeutung der reichen Mineral
schätze warfen sich englische, deutsche und amerikanische Abenteurer; Landbau und
Viehzucht wird in den üppig fruchtbaren Ländern von Europäern und Kreolen
getrieben; den Handel brachten größtenteils die Engländer an sich, in den Binnen¬