IV. Der Handel der neuesten Zeit.
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Unter den chinesischen Häfen, welche dem europäischen Verkehr geöffnet
wurden, sind Shanghai, Hankau und Tientsin die wichtigsten geworden.
Japan. Bis in die neueste Zeit bloß den Holländern und den Chinesen
zu einem sehr beschränkten Verkehr erschlossen, ist Japan erst seit der Mitte des
laufenden Jahrhunderts in den Welthandel eingetreten. 1845 gelang es den
Nordamerikanern, 1855 den Russen, später auch andern europäischen Staaten,
das Recht der Landung und selbst der Niederlassung zu erwerben. Europa fand
hier zum Erstaunen ein Kulturland mit dichter Bevölkerung, mit uralter Ge
schichte, höchst sorgfältiger Bodenkultur, ausgebildeter Industrie, mit geordnetem
Verkehrswesen: Straßen, Postläufe, wohleingerichtete Kaufläden, Messen, Handels
flotte, u. s. f. — Ein ergiebiges Feld für den Absatz europäischer Industriepro
dukte wird Japan nicht bieten, da das Volk, bei schon vorhandener eminenter
Begabung auf industriellem Gebiete, auch außerordentlichen Fleiß besitzt, und
technische Fortschritte aus Europa mit Eifer und Geschick annimmt. 1870 be
gann man auch Eisenbahnen zu bauen und wurden mehrere Linien schon eröffnet.
Unter den Ausfuhrartikeln sind Seide und Thee wichtig geworden; in den letzten
Jahren stieg die Einfuhr bedeutend, während die Ausfuhr zurückblieb. Yokohama,
Hiogo=Osaka und Nagasaki wurden die Hauptplätze für den europäisch-japanesischen
Verkehr.
Afrika. Der ganze Weltteil hat mit wenigen Ausnahmen seine Welthandels
stellung bis in die jüngste Zeit nicht verändert. An der Östküste wurde im
Laufe des 19. Jahrhunderts die Insel Zanzibar zum Hauptmarkte eines euro
päisch-ostafrikanischen Handels (Elfenbein, Gewürznelken und Gummikopal). Im
Süden nahm die Kapkolonie zu; der ganze Westen ist lediglich an den Küsten
plätzen dem europäischen Handel zugänglich. Hier ward in neuerer Zeit das
Palmöl ein Hauptexportartikel. Marokko blieb dem Verkehr mit Europa ab
geneigt, während das kleine Tunis sich für Kulturbestrebungen zugänglich zeigte.
Innerafrika wurde im Laufe des gegenwärtigen Jahrhunderts zum inte
ressantesten Zielpunkte der Entdeckungsreisen. Unter den zahlreichen Reisenden,
welche die dortigen Gebiete zu erforschen suchten, ragen vor allen Livingstone
und Stanley hervor. Letzterer war es, welcher zuerst den Kontinent von Östen
nach Westen quer durchzog und hierbei den Lauf des Kongostroms erforschte.
Aus der Initiative Stanley's und durch die Hilfe und Mitwirkung des Königs
Leopold II. von Belgien ging der 1885 begründete unabhängige Kongostaat
hervor. Derselbe steht unter der Souveränität des Königs Leopold, ohne je
doch sonst mit Belgien irgendwie staatsrechtlich verbunden zu sein. Die Regierung
dieses jungen Staates legte eine Reihe von Handels- und Militärstationen am
Kongoflusse an.
Seit 1884 sind bedeutende Strecken in Afrika unter den Schutz des deutschen
Reiches gestellt worden: Angra Pequena und Kamerun im Guinea=Golf, so
dann die ganze Südwest-Küste zwischen den portugiesischen Besitzungen und dem
Kapland, mit Ausnahme der Walfisch-Bai; endlich in Ostafrika die an die „Ge
sellschaft für deutsche Kolonisation“ abgetretenen Gebiete von Usagara, Nguru,
Useguha und Ukami, sowie das etwas nördlicher gelegene Küstengebiet von Witu.
Unter allen Ländern Afrikas ist Agypten heutzutage für den Welthandel
am bedeutendsten. Die osmanische Herrschaft hatte zwar auch dort Jahrhunderte
lang Wohlstand und Kultur unterdrückt; aber im 19. Jahrhundert hob sich das
Land wieder unter der Verwaltung Mehemed Ali's seit 1806. Es wurden
Bodenkulturen vorgenommen und neue Handelspflanzen angebaut, aber auch
drückende Staatsmonopole geschaffen. Besondere Zunahme zeigte die Baumwoll
kultur, während der Anbau von Getreide, Reis, Zucker zurückging. Nicht allein
der Landbau, auch die Industrie und der Handel wurden zum Staatsmonopol
gemacht und damit die selbständige Thätigkeit des Volkes unterdrückt. Im Ver¬