Full text: Lehsten, Carl von: Ueber die Aufhebung der Leibeigenschaft in Mecklenburg und deren günstige und ungünstige Folgen, nebst Vorschlägen zu Ausgleichung der letzteren

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Die ländlichen Tagelöhner in ihrer jetzigen Ver 
fassung finden gar keine Veranlassung, ihre gute Seite 
auszukehren, sie werden vielfach getreten und gedrückt, 
von einer Stelle zur anderen geschoben und müssen, wenn 
sie sich an einem Orte niederlassen, schon darauf denken, 
wo sie nächsten Gallen bleiben sollen, und dennoch für 
die 
Frist von einem Jahre etwa, die ihnen Geduld und 
Ausharren vielleicht erwirbt, sich allen Druck, alle Miß 
handlungen gefallen lassen, womit mancher gefühllose, 
hartherzige Dienstherr seine Leute behandelt, um so sicherer 
behandeln kann, je näher die Zeit für den bejahrten 
Tagelöhner rückt, wo ihm die Hoffnung auf anderes 
Unterkommen schwindet und er obdachlos zu werden 
fürchten muß. Dabei muß Treu' und Glaube unter 
gehen, auch die besten Anlagen verwandeln sich, auch 
die rechtlichsten Gesinnungen weichen der Noth, der bitteren 
fahrung — die nur zu häufig über die Tagelöhner 
kommt — daß ihnen Treulosigkeit und Betrug dieselben 
Früchte bringen, wie Treue und Ehrlichkeit; daß ein 
diebischer, fauler, gewissenloser Camerad sich eben so gut, 
vielleicht per fas et nefas noch besser steht wie der, der 
seinem Herrn treu und fleißig dienet, der ihm gerne lebens 
lang dienen möchte, wenn -- das Gesetz nicht dazwischen 
träte und den Dienstherren warnte, daß er sich nicht 
Familien auflade, die er früh oder spät 
aus seiner Tasche 
erhalten muß. 
Gegen das Bild eines solchen, von einem Orte zum 
anderen gejagten Familienvaters stelle man nur das Bild 
eines Hoftagelöhners, der sich in der glücklichen Über 
zeugung niederläßt: Hier kannst du ruhig bleiben so 
lange du den Ruf eines treuen, ehrlichen Mannes 
bewahrest, so lange du den Gesetzen gehorchest und 
deine Pflicht erfüllst. Hier kannst du deine Kinder auf¬
	        
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