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unbedingt nötig. Diesem Bedürfnis bot sich dar ein von
den italienischen Juristen aus römischer und germanischer
Prozeßmaterie zusammengeschweißtes, vom kanonischen Recht
wesentlich beeinflußtes Verfahren, das zuerst bei dem Reichs
kammergericht seinen Einzug hielt, dann aber von den
höheren Gerichten Deutschlands vielfach nachgeahmt wurde
(I. R. A. § 137) und schließlich auch in den Territorial
gerichten umgestaltende (später subsidiäre) Bedeutung gewann.
Bei den Territorialgerichten jedoch zeigten die Grundsätze
des germanischen Prozeßverfahrens eine erhebliche Wider
standskraft, insbesondere war das der Fall in den Ländern
des sächsischen Prozesses.
Der fremde Prozeß wurde von den sächsischen Juristen
mit größerer Freiheit behandelt. Es entstand so ein mit
Grundsätzen germanischen Prozeßrechts ganz erheblich durch
setztes römisch-kanonisch-germanisches Verfahren im Gegen
satz zu der vom Reichskammergericht und dessen Juristen
vertretenen mehr romanisierenden Richtung. Dieses sächsische
Verfahren ist es im wesentlichen, was sich als gemeiner
deutscher Prozeß in Deutschland einbürgerte und auch
den partikularen Prozeßgesetzgebungen des vorigen Jahr
hunderts, mit Ausnahme der preußischen auf der Unter
suchungsmaxime beruhenden, zu Grunde gelegt wurde.
Dieser den praktischen Juristen unserer Tage mehr und
mehr in historische Ferne entrückte gemeine deutsche Civil
prozeß ist im wesentlichen damit charakterisiert, daß er ein
teils mündliches, teils schriftliches, vom Verhandlungsprincip
beherrschtes, in scharf geschiedenen Abschnitten und nach
strengen Formen und Normen sich fortbewegendes Verfahren
der Parteien und des Richters ist zur Herbeiführung der
richterlichen Entscheidung des Rechtsfalles.