Full text: Horn, Arnold: Zur Reform des deutschen Civilprozesses

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bei der jetzigen Überfüllung der Verhandlungstermine, sowieso 
die Kollegiumsjustiz bei Lichte besehen häufig genug nur 
Respizientenjustiz ist! 
Auch wir sind und bleiben im großen und ganzen Freunde 
des mündlichen 
Verfahrens. Doch wollen wir darum nicht 
des bloßen Princips der Mündlichkeit halber den Satz des 
alten Verfahrens „quod non in actis, non est in mundo ein 
fach ersetzt haben durch den nicht minder unheilvollen Satz: 
„nur was die Rechtsanwälte reden, nur was die Richter 
hören, existiert für den Richter. Wie mancher gute Prozeß 
ist dem hoffnungsfreudigen Rechtsanwalt, wider alles Erwarten 
auch des Gegenanwalts, schon kläglich gescheitert zu Folge der 
für manchen Richter so außerordentlich bequemen Anwendung 
dieses Satzes. 
Wie selten aber ist es möglich, nach solchem in erster 
Instanz erlittenen Schiffbruch das gescheiterte Prozeßwrack 
wieder in zweiter Instanz zur neuen glücklichen Ausfahrt zu 
reparieren! 
Wir unsererseits sehen den Hauptnutzen des Mündlichkeits 
princips nicht in den Redeturnieren, welche geschickte und un 
geschickte Rechtsanwälte vor aufmerksamen oder auch unauf 
.... 
merksamen Richtern aufführen, sondern darin, daß zwischen 
Rechtsanwälten und Richtern (analog dem amtsgerichtlichen 
Verfahren) ein unmittelbarer mündlicher Verkehr stattfindet in 
dem Umfange, wie das ein jeder Prozeß zur Vorbereitung und 
Aufklärung grade bedarf. 
Dieser lebendige Verkehr zwischen Richtern und Rechts 
anwälten ist unseres Erachtens allein im stande, den jetzigen 
deutschen Prozeß vor der Versumpfung zu bewahren. 
Ist seiner Zeit der gemeine deutsche Civilprozeß im Akten 
staub der Schriftlichkeit erstickt, so kann nur zu leicht der jetzige 
schmählich verkommen in dem trügerischen Komödienspiel einer 
scheinbaren Mündlichkeit. 
Pierer'sche Hofbuchdruckerei. Stephan Geibel & Co. in Altenburg.
	        
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