§ 206. Bürgschaft.
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Schuld möglich°. Erst als die Haftung für eigne Schuld zur
Regel wurde, schränkte sich der Name und der Begriff der Bürg
schaft auf die Haftungsübernahme für fremde Schuld ein. Der
Bürge aber für fremde Schuld war und blieb lediglich Hafter 10
Er schuldete dem Gläubiger keine Leistung, sondern musste nur,
wenn der Schuldner nicht leistete, den Zugriff des Gläubigers
dulden, um diesem Ersatz zu verschaffen. Umgekehrt war der
Schuldner dem Gläubiger nicht haftbar oder wurde doch, wenn er
ihm haftete, durch die Bürgenstellung von der Haftung befreit1
Darum konnte ursprünglich der Gläubiger, wenn der Schuldner
nicht erfüllte, sich ausschliefslich an den Bürgen halten. Dafür
aber haftete der Schuldner dem Bürgen. Denn das zur Verbürgung
unerläfsliche Formalgeschäft, das nach den einzelnen Stammes
rechten in verschiedener Weise mittels Treugelübde, Wadiation
oder ihrer Kombination geschlossen wurde, zog stets den Schuldner
in den Haftungsbereich hinein *2. Es verschaffte dem Bürgen an
stelle des Gläubigers ein Zugriffsrecht gegen den Schuldner, das
ihn in den Stand setzte, sich zwangsweise vom Schuldner die Mittel
9 Puntschart S. 164, 169 ff.; Schuld und Haftung S. 59 ff. —
Über die
Selbstverbürgung des Schuldners in einer aus der Verbürgung für Andere ab
geleiteten Form ebd. S. 60 Anm. 45, S. 148, 159, 161, 285.
10 Schuld und Haftung S. 57 ff.; Puntschart S. 174 ff.; für das nord. R.
v. Amira 1 693 ff., 704, II 71 ff., 840 ff. — Ebenso nach griech. R., Partsch
a. a. O. S. 12 ff., 23 ff., 33 ff., 74.
1i Schuld u. Haftung S. 58 Anm. 36 u. 37, 79, 100 Anm. 4; insbes. über
burgund. R. S. 176, 178, langob. R. S. 286 ff., fränk. R. S. 295 Anm. 12, dazu
über angelsächs. R. S. 184 Anm. 53, fries. R. S. 320; vgl. noch Wiener Stadtr.
a. 7 u. 57. Dazu Stobbe-Lehmann § 238, 2a; Fockema-Andreae II
88 fl. — Anders natürlich, wenn er sich mit seinen Bürgen als Mitbürge ver
pflichtete; Schuld u. Haftung S. 60 Anm. 47, 160 Anm. 54, 296.
12 Schuld und Haftung S. 59. Es forderte das Zusammenwirken dreier
Hände, indem das Verpflichtungszeichen vom Schuldner dem Gläubiger, vom
Gläubiger dem Bürgen dargereicht wurde. Bei den Franken pflegte der Schuldner
nur durch Wadiation Vermögenshaftung, der Bürge dagegen durch blosses
Treugelübde nur persönliche Haftung zu übernehmen; a. a. O. S. 159, 160, 294 ff.
Diese Verbürgungsform begegnet auch im späteren Recht; a. a. O. S. 159 Anm. 40.
Bei den Burgundern unterwirft sich umgekehrt der Schuldner nicht nur der
Vermögenshaftung, sondern auch subsidiärer leiblicher Haftung, der Bürge
dagegen lediglich einer durch das Recht der Hingabe des zahlungsunfähigen
Schuldners an Zahlungsstatt beschränkten Vermögenshaftung; a. a. O. S. 175 ff.
Bei den Langobarden findet eine doppelseitige Wadiation statt, die für den
Schuldner wie für den Bürgen nur Vermögenshaftung begründet; a. a. O. S. 264 ff.,
284 ff. Über angelsächs. R. vgl. S. 184 u. 315, über bayr. S. 305 Anm. 42, 312,
über fries. S. 319. Über Verbürgung durch Einlagerversprechen S. 254.
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