576 Zweites Kapitel. Schuldverhältnisse aus Rechtsgeschäften.
das Darlehen im engen Zusammenhänge mit der Gebrauchsleibe
geregelt 45. Auch das B.G.B. läfst die wenigen Bestimmungen, die
es dem Darlehen widmet, unmittelbar auf die Vorschriften über
die Leihe folgen 46.
In der Tat ist seinem Wesen nach das Darlehen gleich der
Leihe Gebrauchsüberlassung, die im Vertrauen auf Rückerstattung
nach gemachtem Gebrauch erfolgt. Nur ist Gegenstand der Ge
brauchsüberlassung hier nicht ein Sachindividuum, sondern sin
gattungsmässig bestimmtes Sachquantum und meist überhaupt nur
ein durch Geld dargestelltes Wertquantum4. Erfolgt eine solche
Kapital- oder Wertleihe gegen Entgelt, so entspricht sie natürlich
insoweit vielmehr der Miete 48. Die als Darlehen hingegebenen
Sachen sind also hier gar nicht das, was geliehen oder vermietet
wird. Sie sollen nicht gebraucht und zurückerstattet, sondern ver
braucht werden. Darum geht das Eigentum an ihnen auf den
Empfänger über, während das dem Verleiher vorbehaltene Recht
sich in einem Forderungsrecht erschöpft 49. Allein diese Sachen
repräsentieren den wahren Gegenstand des Darlehens, ihre Über
eignung ist das Mittel, um in das Vermögen des Empfängers das
Kapital überzuführen, das ihm zum Gebrauch überlassen wird.
und das dafür erworbene Forderungsrecht ist die Erscheinungs
form der fortdauernden Kapitalherrschaft des Verleihers. Das als
Darlehen Empfangene ist somit Träger des kreditierten Vermögens
wertes und wird darum als „Valuta“ bezeichnet.
Schweiz. O.R. überschreibt seinen 9. Titel „Die Leihe“ und regelt in Abschn. 1
„Die Gebrauchsleihe“, in Abschn. 2 „Das Darlehen“ (§ 312—318).
45 Österr. Gb. § 983—1001 (hinter der Leihe). Dazu v. Schey a. a. 0.
S. 15—186. Sächs. Gb. § 1067—1081 (vor der Gebrauchsleihe).
46 B.G.B. § 607—610. Dazu die Kommentare. Lübbert, Jahrb. f. D.
LII 313 ff. Schollmeyer S. 87 ff. Cosack § 142. Endemann § 184. Dern
burg § 233 ff. Landsberg § 146. Matthiafs § 121. Crome § 247 ff.
Enneccerus S. 360 ff.
4 Dieses ist nicht nur bei dem eigentlichen Gelddarlehen, sondern bei
jedem in Geld rückzahlbaren Darlehen, jenes bei dem in anderen vertretbaren
Sachen gegebenen und zurückzuerstattenden Darlehen, aber auch bei dem auf
eine bestimmte Münzsorte abgestellten Gelddarlehen der Fall.
48 Die entgeltliche Kapitalleihe hat sich aber von der unentgeltlichen
Kapitalleihe nicht in gleicher Weise, wie die Sachmiete von der Gebrauchsleihe,
als besonderer Vertragstypus abgezweigt. Zum vollen gegenseitigen Vertrage
ist sie nicht geworden.
4 Das Darlehen als „Verbrauchsleihe“ verhält sich in dieser Hinsicht zur
Gebrauchsleihe nicht anders, wie der sog. uneigentliche Niefsbrauch zum eigent
lichen (oben Bd. II 688) oder das depositum irregulare zum depositum regulare.