484 Zweites Kapitel. Schuldverhältnisse aus Rechtsgeschäften.
b. Die Haftung des Verkäufers tritt nur ein, wenn der Haupt
mangel sich innerhalb der Gewährfrist zeigt 86. Die Gewähr
fristen sind für die einzelnen Hauptmängel seit alter Zeit durck
Rechtssatz bestimmt 37. Heute sind auch sie durch die Kaiserliche
Verordnung festgesetzt 88. Doch kann durch Vertrag eine längere
oder kürzere Gewährfrist an Stelle der gesetzlichen gewillkürt
werden 89. Die Gewährfrist beginnt mit dem Ablaufe des Tages
des Gefahrüberganges 90
c. Zeigt sich ein Hauptmangel innerhalb der Gewährfrist, so
wird vermutet, dafs er schon zurzeit des Gefahrüberganges vor
handen gewesen sei 91. Der Gegenbeweis ist zulässig
deliktische Haftung aus § 823 oder § 826 bleibt unberührt. — Dagegen be
gründet nach Schweiz. O.R. a. 198 absichtliche Täuschung bei jedem Mangel
eine Gewährleistungspflicht.
86 B.G.B. § 4821. Zeigt der Mangel sich erst später, so ist jeder Gewährs
anspruch ausgeschlossen. Dies stimmt mit dem älteren deut. R. überein (Stobbe
Lehmann Anm. 15). Ebenso Schweiz. O.R. a. 202. Dagegen hat nach den
meisten neueren Gesetzen die Gewährfrist nur Beweisbedeutung, so dass der
Käufer auch einen später hervortretenden Mangel noch geltend machen kann,
wenn er dessen Vorhandensein vor der Übergabe nachweist. So Preufs. A.L.R.
I, 11 § 203, Österr. Gb. § 927.
8’ In den älteren Quellen finden sich einheitliche Fristen. So 3 Tage in
l. Bajuv. 16, 9, Bremer R. v. 1303 ord. 131, Soester Schrae 58 (Kraut Nr. 8);
14 Tage in Nürnb. Ref. XVI, 4, Bayr. L.R. IV 3 c. 23 Nr. 5 u. 6; 30 Nächte
bei Ine 56; 4 Wochen (jedoch bei Schlachtschweinen nur 3 Tage) in Frankf.
Ref. II, 9 § 4 u. 7. In den neueren Gesetzen sind die Gewährfristen für die
einzelnen Tiergattungen und Krankheitsarten sehr ungleich bestimmt. Doch
gilt nach Preufs. L.R. I, 11 § 199—203, Österr. Gb. § 924, Sächs. Gb. § 925
eine generelle Gewährfrist von 24 Stunden, an deren Stelle nur bei einzelnen
Mängeln längere Fristen (nach Preufs. R. bis zu 4 Wochen, Österr. R. bis zu
2 Monaten, Sächs. R. bis zu 50 Tagen) treten. Das Schweiz. O.R. a. 202 hat
eine einheitliche Frist von 9 Tagen (aufser bei Gewährleistung für Trächtigkeit).
88 Auf Grund B.G.B. § 4822. Die meisten Gewährfristen für Hauptmängel
von Nutz- und Zuchttieren und alle für Hauptmängel von Schlachttieren be
tragen 14 Tage; daneben 28 Tage (für Lungenseuche bei Rindvieh), 3 Tage
(für Rotlauf bei Schweinen), 10 Tage (bei Schweineseuche).
89 B.G.B. § 486. Die vereinbarte Frist hat alle Kraft der gesetzlichen
Frist. — Vgl. Schweiz. OR. a. 202.
90 B.G.B. § 483. Für die Haftungsfrage bleibt der Augenblick des Gefahr
überganges entscheidend.
v B.G.B. § 484. Ebenso nach älterem deut. R. und fast allen neueren
Gesetzen; Stobbe-Lehmann Anm. 11.
92 So auch, während die älteren Quellen einen Gegenbeweis anscheinend
nicht zulassen, nach den meisten neueren Gesetzen; vgl. Preufs. A.L.R. 1, II
§ 202, Bayr. Ges. a. 2, Hohenzoll. § 2.