Zweites Kapitel. Schuldverhältnisse aus Rechtsgeschäften.
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Wird eine Draufgabe vor dem Abschlusse eines beabsichtigten
Schuldvertrages gegeben, so ist sie heute regelmässig das sinn
fällige Zeichen für den Abschlufs eines Vorvertrages
VI. Vertragsstrafe. Die Bestärkung eines Schuldvertrages
durch das Versprechen einer Strafleistung für den Fall der Nicht
erfüllung war dem älteren deutschen Rechte in mancherlei Formen
geläufig 55. Mit dem römischen Rechte wurden dessen sehr ins
einzelne durchgebildete Sätze über die Konventionalstrafe auf
genommen und im gemeinem Recht fortgebildet56. An das ge
meine Recht schlossen sich mit einzelnen Abweichungen die neueren
54 Sie ist daher im Zweifel zugleich Bestärkungsmittel des Vorvertrages
im Sinne des B.G.B. § 338, kann aber auch als Reugeld gemeint sein. Die in
das Sächs. Gb. § 898 übernommenen römischen Bestimmungen über die arrha
pacto imperfecto data (l. 17 C. 4, 21, § 1 Inst. 3, 23) passen nicht in das
heutige System der Schuldverträge.
55 Über die Verwendung der Wette zu diesem Zweck oben S. 360 Anm. 7.
Nur zum Teil gehören hierher die viel besprochenen, aus Umbildung der römi
schen Pönalstipulationen in ihrer späteren urkundlichen Fassung hervor
gegangenen Strafklauseln, die in den germanischen Urkunden über Rechts
geschäfte aller Art (besonders Veräufserungsgeschäfte) bis gegen das Ende des
9. Jahrh. regelmässig und dann bis zum Beginn des 12. Jahrh. vereinzelt auf
treten. Vgl. über sie Bluhme, Jahrb. d. gem. R. III 207 ff.; Loening, Ver
tragsbruch S. 75 ff., 534 ff.; Dahn, Könige VII, 3 S. 303 ff.; Sjögren, Über
die römischen Konventionalstrafen und die Strafklauseln der fränkischen Ur
kunden, Berlin 1896; A. Schultze, Z. f. R.G. XXX 176 ff. Diese Strafklauseln
belegen nicht nur den vertragsbrüchigen Kontrahenten und dessen Erben
sondern auch jeden Dritten, der den Vertrag anfechten oder den vertragsmäßsig
geschaffenen Rechtszustand beeinträchtigen würde, mit bestimmten Bulsen, die
an den Verletzten, aber auch an die öffentliche Gewalt entrichtet werden sollen.
Ihre Wirksamkeit ist zugunsten der Kirche in 1. Alam. 1, 2 gesetzlich anerkannt.
wurde aber auch sonst schwerlich bezweifelt. Sicherlich wirkte dabei die Vor
stellung einer schon von Rechts wegen eintretenden, durch den Vertrag nui
deklarierten Bussfälligkeit mit. Allein ausschliefslich aus diesem Gesichtspunkt
wie Loening will, lassen sich die Strafklauseln nicht erklären. Vielmehr
liegt ihnen zugleich die Vorstellung einer satzunsgmässigen Kraft des Vertrages
zugrunde. Jedenfalls ist in ihnen vielfach ein echtes Strafgedinge einge
schlossen. — Über Vertragsstrafen im späteren Mittelalter vgl. Stobbe,
Vertragsr. S. 31 ff., D.P.R. (b. Lehmann) § 218 IV; R. Loening S. 524 ff.;
v. Amira I 690, II 844.
56 W. v. Seeler, Zur Lehre von der Konventionalstrafe nach röm. R.,
1891. Sjögren a. a. O. S. 1 ff. — v. Savigny, O.R. II § 80. Wendt, Jahrb.
f. D. XXII 398 ff. Nauenfeldt, Ist die Konventionalstrafe ihrem Grund
prinzipe nach Strafe oder Ersatzleistung? 1885. Pergament, Konventional
strafe und Interesse, 1896. Windscheid-Kipp § 285—286.