§ 179. Beendigung der Schuldverhältnisse.
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Denn eben dadurch, dafs das Aufrechnungsrecht in den Schuldinhalt
eingetreten ist, hat der Schuldinhalt eine Veränderung erfahren 136
Diese Veränderung besteht in einer Abschwächung der Forderungs
kraft. Darum knüpfen sich schon an das Vorhandensein der Auf
rechnungslage bestimmte Rechtsfolgen 137. Und darum wird der
Aufrechnung rückwirkende Kraft beigelegt, so dafs sie die Forde
rungen dergestalt vernichtet, als wenn sie mit dem Eintritt der
Aufrechnungslage durch Erfüllung erloschen wären 138. Die Auf
rechnung stempelt also nachträglich für jede der Forderungen das
Aufgewogensein durch die andere Forderung zum Erfüllungsersatz.
IV. Vertragsmäfsige Aufhebung. Jedes Schuldverhält
nis kann innerhalb der Grenzen der Vertragsfreiheit durch Vertrag
zwischen Gläubiger und Schuldner aufgehoben werden 133
Der nackte Schuldaufhebungsvertrag heifst Erlafs14°. Durch
Weigelin, ebd. XXVI 35 ff. (verwandt mit dem Zustande der Anfechtbarkeit);
Landsberg § 104 II 3; Oertmann, Vorbem. 3. Ferner Crome § 193,
Endemann § 144 Z. 2c, die aber in Annäherung an die Theorie der com
pensatio ipso jure von einem „Schwebezustand“ reden.
136 Oben S. 165 Anm. 107. Diese Veränderung trifft der Regel nach beide
einander gegenüberstehende Schuldverhältnisse; jedoch dann, wenn das Auf
rechnungsrecht nur für einen Teil begründet ist, nur das eine von ihnen
137 So das Einrederecht des Bürgen (oben Anm. 115); die Erhaltung des
Aufrechnungsrechts gegenüber dem Rechtsnachfolger (oben Anm. 119—120);
der Schutz des Aufrechnungsrechts gegenüber dem Rücktritt und der Kündigung
des anderen Teils nach B.G.B. § 357 und 5542
138 Hiermit wird auch der Zinsenlauf, der Verfall einer Vertragsstrafe,
der Eintritt des Verzuges von diesem Zeitpunkte an rückwärts hinfällig. Auch
erklärt es sich aus der Rückwirkung, dass, wer gegenüber der Konkursmasse
aufrechnet, sich am Konkurse nicht zu beteiligen braucht, sondern sich wegen
seiner Forderung voll aus der Gegenforderung des Gemeinschuldners befriedigen
Über die Rückwirkung nach gem. R. vgl. R.Ger.
kann; Konk.O. § 53. —
b. Seuff. LIV Nr. 82.
139 Unzulässig ist kraft zwingender Rechtssätze z. B. die vertragsmässige
Aufhebung der familienrechtlichen Unterhaltsverbindlichkeiten für die Zukunft
(B.G.B. § 1614 *) oder der dem Befreiungsverbot unterliegenden Beitragsschulden
bei Aktiengesellschaften (H.G.B. § 221), Gesellschaften mit beschränkter Haftung
(G.m.b.H.G. § 19 u. 25) und eingetragenen Genossenschaften (Gen.G. § 22 2)
Nur beschränkt zulässig ist die vertragsmässige Aufhebung der Unterhalts
ansprüche des unehelichen Kindes (B.G.B. § 1714) und gewisser Ersatzansprüche
der Aktiengesellschaft (H.G.B. § 205).
140 Vgl. über röm. u. gem. R.: Windscheid § 357. Altmann, der
Erlafsvertrag, I, Geschichtliche Grundlagen, Leipzig 1891. Meifsels, Z. f. d.
P. u. ö. R. d. G. XVIII 700ff., XIX 1ff. — Über das alte nord. Recht
v. Amira I 485 ff., II 577 ff. — Zum heutigen R.: Hartmann, Arch. f. z.
Pr. LXXXV 1ff. Cohn b. Gruchot XLVII 221 ff. Endemann § 149.