Erstes Kapitel. Schuldverhältnisse überhaupt.
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Doch kann diese Haftung sogar für den Fall der vorsätzlichen
Pflichtverletzung wegbedungen werden 28.
Auch ein Verschulden des Gläubigers kann, indem es
Rechtsnachteile für ihn herbeiführt, den Schuldinhalt verändern 28
Hat zu einem Misserfolge sein Verschulden mitgewirkt, so kann
nach den allgemeinen Regeln über Schadensersatz sein Ersatz
anspruch gegen den Schuldner wegfallen oder sich mindernet
Hierbei aber hat auch der Gläubiger das Verschulden von Ver
tretern und Gehilfen wie eignes Verschulden zu vertreten
in eigenen Angelegenheiten angewandten Sorgfalt zu vertreten, so ist er auch
nur für ein entsprechendes Verschulden der Hilfsperson verantwortlich;
Planck3 Bem. 5 (abweichend 4. Aufl. Bem. 3), Schollmeyer Bem. 2, Ende
mann § 116 Anm. 6. Keineswegs fällt, wie Nufsbaum S. 38 ff. u. Oertmann
1. Aufl. Bem. 8 (anders 2. Aufl. Bem. 4 b ß) für den Fall der Beschränkung der
Haftung auf grobe Fahrlässigkeit auch Dernburg § 68 III f meinen, hier die
Haftung für fremdes Verschulden überhaupt weg. Das Mass der Sorgfalt, die
in eignen Angelegenheiten angewandt zu werden pflegt, bestimmt sich nach
der Person des Schuldners; a. M. Oertmann3 Bem. 4 b ß. Nur bei der Haf
tung für den gesetzlichen Vertreter ist dieser Massstab unanwendbar. Hier ist
daher auf die Person des Vertreters zu sehen; Feder S. 78 ff., Dernburg
§ 68 II d, Endemann Anm. 15, Rehbein zu § 241 ff. Erl. 91. Dagegen lässt
Planck3, Bem. 5 (ebenso 4 Bem. 3 a. E.), in diesem Falle den Schuldner für
jede Fahrlässigkeit des Vertreters haften.
28 B.G.B. § 278 S. 2. Anders zum Teil Schweiz. O.R. a. 115 (jetzt 101).
29 Denn wenn durch sein Verschulden die Leistung ganz oder zum Teil
unmöglich wird, liegt ein von ihm zu vertretender Umstand vor, treten also
bei gegenseitigen Verträgen die Folgen des § 324 B.G.B. ein.
30 Oben § 176 S. 80 ff.
31 B.G.B. § 254 Abs. 2 S. 2: „Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende
Anwendung.“ Es ist unzulässig, diese Verweisung auf Abs. 2 zu beschränken, wie
dies Feder S.51 ff. u. R.Ger. LV Nr. 82 S.331, LXII Nr.83 S.350 wollen; vgl. dagegen
Gottschalk a. a. O. S.120, Fischer, Schade S.66, Träger a. a. O. S.341, Oert
mann zu § 254 Bem. 5, Planck3 Bem. 5, J. Gierke a. a. O. S. 738ff., R.Ger.
LXII Nr. 27 S. 106 ff. Auch ist die Anwendung des § 278 nicht dadurch bedingt.
dafs es sich um die „Erfüllung einer Verbindlichkeit“ handelt. Vielmehr ge
nügt die Verletzung der dem Gläubiger obliegenden „Diligenzpflicht“. Darum
muss z. B. der Gläubiger, der sich einer Hilfsperson zur Entgegennahme der
Leistung bedient, sich deren Verschulden insoweit anrechnen lassen, als er einen
ihm vom Schuldner zu ersetzenden Schaden mitverursacht hat (bei Oertmann,
Bem. 9 zu § 278, übersehen). Auch muss § 278 entsprechend Anwendung finden.
wenn derjenige, der aus unerlaubter Handlung Gläubiger geworden ist, dem
Schuldner gegenüber die Diligenzpflicht versäumt; R.Ger. LXII Nr. 33. Dagegen
muss immer bereits ein Schuldverhältnis vorliegen. Deshalb ist im Falle der
Schadensverursachung durch unerlaubte Handlung dem Geschädigten, der hier
durch erst Gläubiger wird, bei Anwendung des § 254 wegen Mitverursachung
des Schadens fremdes Verschulden nicht nach Mafsgabe des § 278, sondern
nur nach Mafsgabe des § 831 anzurechnen; vgl. unten § 212 Anm. 58.