§ 176. Inhalt der Schuldverhältnisse.
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ist bis auf spärliche Reste verschwunden5' Nur rechtsgeschäft
lich kann noch innerhalb der Grenzen der Vertragsfreiheit im
voraus die Höhe des bei Eintritt eines schädigenden Ereignisses
zu leistenden Ersatzes festgesetzt werden 58. Im übrigen bedarf
es im einzelnen Falle der Feststellung, wie hoch sich der einge
tretene Schade beläuft. Die Beweislast trifft den Geschädigten.
Der Beweis ist aber heute dadurch erleichtert, dafs das Gericht
über die Frage, ob und in welcher Höhe ein Schade entstanden
ist, unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung zu
erkennen hat 59. Dabei kann das Gericht auch den Schätzungseid,
der vom deutschen und vom römischen Recht in verschiedener
Weise ausgebildet war“°, als Mittel für die Feststellung der Höhe
des Schadens verwenden 61
57 Davon bei den unerlaubten Handlungen unten § 215.
58 So durch Versicherungsvertrag, jedoch bei der Sachversicherung nur
innerhalb der durch die Unzulässigkeit der Überversicherung gezogenen Schran
ken. Ebenso durch Garantievertrag. Auch kann bei jedem Schuldverhältnis
der wegen Nichterfüllung zu leistende Ersatz durch Vereinbarung fixiert werden.
Vielfach dient insbesondere eine bedungene Vertragsstrafe zugleich als fixierter
Ersatz. — Häufig begegnet auch die Fixierung bloss des Mindestbetrages.
59 Z.Pr.O. § 287 (a. F. § 260). Ebenso schon früher H.G.B. Art. 27 2, Haft
pflichtges. § 7 und die Gesetze zum Schutz des Urheberrechts, des Marken
rechts und des Erfinderrechts. Vgl. dazu neues Schweiz. O.R. a. 42. — Über
Schätzung durch Nachbarn oder Sachverständige und richterliches Ermessen
im älteren deut. R. vgl. Schmidt a. a. O. S. 63, Hammer a. a. O. S. 76,
Stobbe-Lehmann § 259 S. 518.
6° Ein Schätzungseid des Verletzten begegnet in manchen Volksrechten;
vgl. 1. Alam. (ed. Lehmann Cod. B) 69 u. 70, Ed. Roth. 146, 2. In späteren
Quellen wird umgekehrt dem Beklagten das Recht eingeräumt, die Schätzung
des Klägers mit seinem Eide zu mindern; Sachsensp. III 47 § 1, 51 § 2 (gelden na
des werderunge, die sie verlos, jene ne minnere sie mit sinem eide, die sie gelden
sal), Rb. n. Dist. IV 33 A d. 1, Gosl. Stat. 42, 17, Laband, Vermögensr. Kl.
S. 68 Anm. 23, Hammer S. 76, Planck, Gerichtsv. I 454 ff., Stobbe-Leh
mann § 259 Anm. 51. Doch liefs sich in Schuldbriefen der Gläubiger oft
versprechen, dass der Schuldner die Bestimmung der Höhe des Schadens durch
schlichtes Wort des Gläubigers anerkennen werde; Brunner, Z. f. H. R. XXIII
242 ff., Grundz. S. 209; Hübner, Grundz. S. 464. Seit der Rezeption wurde
das im römischen Recht bei gewissen Streitigkeiten dem Kläger gewährte jura
mentum in litem (Dig. 12, 3, Cod. 5, 53) aufgenommen und als Würderungseid
oder Schätzungseid zu einem allgemeinem Beweismittel hinsichtlich des vor
sätzlich oder grob fahrlässig verursachten Schadens umgebildet. Die Z.Pr.O.
§ 260 hob den Schätzungseid als formelles Beweismittel auf.
61 Nach Z.Pr.O. § 287 (a. F. 260) kann das Gericht stets anordnen, dass
der Beweisführer den Schaden oder das Interesse bis zu einem gerichtlich
festgesetzten Höchstbetrage eidlich schätze.