1010 Viertes Kapitel. Schuldverhältnisse aus sozialen Zusammenhängen.
IV. Bereicherungsanspruch wegen Nichtschuld.
Dieser Anspruch setzt voraus:
1. Eine Leistung zum Zwecke der Erfüllung einer
Verbindlichkeit. Der Erfüllung steht die Hingabe eines
anderen als des vermeintlich geschuldeten Gegenstandes an Er
füllungsstatt gleich.
2. Nichtbestehen der Schuld zurzeit der Leistung.
Die Schuld, die getilgt werden sollte, muss im Augenblicke der
Leistung nicht bestanden haben, mag sie nun nie entstanden oder
wieder erloschen gewesen sein. Als niemals entstanden gilt auch
eine erfolgreich angefochtene Schuld; wird also eine anfechtbare
Schuld erfüllt, so ist die Zurückforderung zulässig, wenn später
die Anfechtung stattgefunden hat 56. Noch nicht entstanden ist
eine aufschiebend bedingte Schuld; das zum Zweck ihrer Erfüllung
Geleistete kann daher bis zum Eintritt der Bedingung zurück
gefordert werden5'. Dagegen gilt eine betagte Schuld als schon
entstanden; ihre vorzeitige Erfüllung begründet daher keinen An
spruch auf Rückgewähr und auch nicht auf Erstattung von Zwischen
zinsen 58. Ebensowenig kann der Schuldner einen Bereicherungs
mischung (§ 951), den, wie ein Naturereignis, auch eine in keiner Weise auf
den Erfolg abzielende Handlung des Bereicherten, eines Dritten oder auch
des Verlustträgers selbst bewirken kann. Es gilt ferner beim Fruchterwerbe
des redlichen Besitzers im Falle des Eigentumserwerbes durch Trennung, die,
wie durch ein Naturereignis (z. B. bei nicht zum wirtschaftlichen Ertrage ge
hörigen Waldbäumen durch Windschlag), so durch eine beliebig beschaffene
fremde Handlung in der Weise erfolgen kann, dafs er nach § 988 oder § 993
als ungerechtfertigte Bereicherung gilt. Ebenso braucht die im Falle des
§ 9762 den Funderwerb der Gemeinde bewirkende Unterlassung des Finders
keine gewollte Handlung zu sein. Nicht anders verhält es sich mit dem
Rechtsverlust durch Verjährung oder Präklusion, wenn er ausnahmsweise einen
Bereicherungsanspruch zurückläfst (oben S. 999 Anm. 20). So kann auch eine nicht
rechtsgeschäftliche Handlung des Geschädigten ihm einen Bereicherungsan
spruch verschaffen. Doch ist es unangebracht, dafür mit Enneccerus a. a
O. II 3 eine eigne Kategorie aufzustellen; auch in dem von ihm gebildeten
Beispiel — Fütterung fremden Viehs mit eignem Futter in der irrigen An
nahme, es sei eignes Vieh oder das Futter gehöre dem Vieheigentümer
tritt der ungewollte Rechtsverlust kraft Rechtssatzes durch Untergang des
Gegenstandes und die ungewollte Bereicherung in analoger Weise, wie bei
Verbindung oder Vermischung, ein.
56 B.G.B. § 142. Anders, wenn eben die Erfüllung als Bestätigung an
zusehen, also nach § 144 die Anfechtung unwirksam ist.
“ Mit dem Eintritt der Bedingung aber fällt der Bereicherungsanspruch
weg, da sich nun herausstellt, daßs nur verfrüht geleistet ist.
58 B.G.B. § 8132. Doch wird man mit Dernburg § 115 VIII bei ver-