970 Drittes Kapitel. Schuldverhältnisse aus unerlaubten Handlungen.
4. Immaterieller Schaden. Das B.G.B. hält an der
Regel, dafs wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschade ist,
eine Entschädigung in Geld nicht gefordert werden kann 58, auch für
Deliktsschulden fest. Nur bei bestimmten gegen die Person ge
richteten unerlaubten Handlungen durchbricht es die Regel und
gewährt dem Verletzten neben dem Anspruch auf Ersatz des vollen
Vermögensschadens auch einen Anspruch auf Ersatz des immateriellen
Schadens 59. Die Fälle sind: Verletzung des Körpers oder der Gesund
heit 6°; Freiheitsentziehung61; Verletzung der Geschlechtsehre durch
zeughalter nach § 16 nicht zugute. Wohl aber nach § 18 dem schuldigen
Kraftzeugführer
58 Oben § 176 S. 82ff. Bei der Fassung des § 253 ist es leider auch im
Falle der böswilligsten Sachbeschädigung nicht möglich, den Gefühlsschaden
zu berücksichtigen; der Versuch Dernburgs, dies höchst unbillige Ergebnis
nach dem Vorbilde des Preufs. L.R. § 87 zu beseitigen, setzt sich über das
positive Recht hinweg; oben § 176 S. 84 Anm. 81.
59 B.G.B. § 847. Zwischen vorsätzlicher und fahrlässiger Verletzung wird
dabei nicht unterschieden. Aber auch wer aus schuldloser Verursachung ver
antwortlich ist, haftet aus § 847. So z. B. der Tierhalter. Vgl. R.Ger. Nr. 56,
Rspr. der O.L.G. IX, 46, Seuff. LXIII Nr. 43. Nur die Haftung für Körper
verletzung aus Betriebsunfällen nach H.Pfl.G. ist durch die erschöpfende Fest
setzung des Umfanges des Schadens in § 3a dem Geltungsbereich des § 847
entzogen, der jedoch nach § 9 wieder anwendbar wird, wenn den Unternehmer
eignes Verschulden trifft. R.Ger. LXIII Nr. 29, J.W.Schr. 1908 S. 196. Ebensc
nach K.F.G. § 11 u. 16; R.Ger. b. Seuff. LXIX Nr. 79. Das Schweiz. O.R.
gewährt jetzt bei Körperverletzung nach den Umständen, bei jeder Verletzung
Jemandes „in seinen persönlichen Verhältnissen“ da, „wo die besondere Schwere
der Verletzung und des Verschuldens es rechtfertigt“, einen Anspruch auf
Leistung einer „Geldsumme als Genugtuung“; a. 47 u. 49 (etwas abweichend
früher a. 54 u. 55).
60 B.G.B. § 8471. Damit ist das Schmerzensgeld (oben S. 960 ff. Anm. 18—22)
in das geltende Recht übernommen. Aber darüber hinaus kommen auch rein
seelische Leiden, sofern sie durch die Verletzung verursacht sind, in Betracht;
vgl. Seuff. LIX Nr. 34, LXX Nr. 15 (erzwungener Ruhestand eines Offiziers),
sowie die bei Oertmann Bem. 3 angef. Lit. Somit ist im Falle der Ver
unstaltung nicht blofs (wie nach Preufs. L.R. § 123—128) der etwaige Ver
mögensschade aus Erschwerung des Erwerbes oder Fortkommens, sondern
auch (wie nach Sächs. Gb. § 1490) die Minderung des Lebensgefühls und
Lebensgenusses auszugleichen; vgl. R.Ger. LXXVI Nr. 45 (gegenüber dem
O.L.G. Stuttg. wohl zu stark einschränkend). Auch verursachte Prozels
aufregung kann zu berücksichtigen sein; R.Ger. b. Seuff. LXIV Nr. 7. — Ledig
lich der Vermögensschaden ist im Falle der Tötung zu ersetzen. Billiger ist
das Schweiz. O.R. a. 47 (früher 54), das den Angehörigen eine (an das Wergeld
erinnernde) Genugtuungssumme zuspricht.
61 B.G.B. § 8471 S. 1; Seuff. LIX Nr. 34. Damit ist die Sachsenbufse
(oben S. 960 Anm. 17) zugleich gedeckt und ersetzt.