940 Drittes Kapitel. Schuldverhältnisse aus unerlaubten Handlungen.
Teil eine strengere Haftung des Tierherrn auf deutschrechtlicher
Grundlage; insbesondere blieb das Sachsenspiegelrecht im gemeinen
Sachsenrecht bis zum Inkrafttreten des B.G.B. lebendig 2°. Die
neueren Gesetzbücher dagegen erkannten grundsätzlich nur eine
Haftung des Tierherrn aus eignem Verschulden an und schafften
die noxae datio ab. Doch dehnte das preufsische Landrecht nicht
nur den Verschuldensbegriff hierbei aufserordentlich weit aus,
sondern liefs auch in einem Ausnahmefalle eine beschränkte Haf
tung ohne Verschulden eintreten 21. Strenger hält das öster
reichische Gesetzbuch am Verschuldensprinzip fest 22.
Auch das
schweizerische Obligationenrecht legt dem Tierhalter nur eine
Haftung aus eignem Verschulden auf, verschärft sie aber durch
Umkehrung der Beweislast 28. Nur das sächsische Gesetzbuch er
kannte in ähnlichem Umfange, wie das römische Recht, eine durch
das Recht der noxae datio ermässigte Haftung des schuldlosen Tier
halters an 24
Dem gegenüber macht das französische Gesetzbuch
auf
germanischrechtlicher Grundlage den Eigentümer oder den,
der ein Tier gebraucht, während seines Gebrauches unbedingt für
20 R.G. b. Seuff. X
XIX Nr. 214, LI Nr. 108, O.L.G. Kiel ebd. XLVII
Nr. 198.
21 Preufs. A.L.R. I, 6 § 70—78; Dernburg, Preufs. P.R. § 302. Als
Verschulden gilt schon das Halten wilder oder anderer schädlicher und un
gewöhnlicher Tiere ohne obrigkeitliche Erlaubnis (§ 71); nach erteilter Er
laubnis und, wo eine solche nicht nötig ist, bei Kenntnis der individuellen
Schädlichkeit eines Tieres die Unterlassung gehöriger Massregeln zur Ab
wendung des zu befürchtenden Schadens (§ 72, 74); sonst versäumte Aufsicht
(§ 73). „Ohne seine besondère Schuld“ aber haftet, wer ein zwar unschäd
liches, jedoch in der ländlichen oder städtischen Haushaltung nicht gebrauchtes
Tier hält; er haftet also, da das Halten eines solchen Tieres erlaubt ist, ledig
lich aus Verursachung, hat aber nur den durch das Tier verursachten „un
mittelbaren“ Schaden (nicht z. B. den Schaden aus verminderter Erwerbsfähig
keit) zu ersetzen; § 72, R.Ger. XXXII Nr. 81. Aufserdem schuldlose Haftung
aus unbefugtem Weiden von Vieh auf fremdem Gelände nach den Feldpol.
Ordnungen.
22 Öst. G.B. § 1320. Ersatzpflicht ohne Verschulden tritt jedoch in ein
zelnen Fällen nach Spezialgesetzen ein. Krainz-Pfaff-Ehrenzweig
§ 402 I.
28 Schweiz. O.R. a. 65, jetzt 56. Gleiches wollten der Bayr. Entw. a. 948
u. der Dresdn. Entw. a. 1025 bestimmen.
24 Sächs. Gb. § 1560—1564. Bei wilden Tieren tritt die Haftung wie nach
älterem deut. R. unbedingt ein; bei Haustieren hat der Tierhalter im Falle
eigener Schuldlosigkeit, die er aber beweisen muss, das Recht der noxae datio.