Wesen der Dinglichkeit.
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strahirt, ebensowohl Unrecht als Recht sein kann. Nur wenn das
Faktum der physischen Beherrschung der Sache kraft positiven Rechts
sei es im Interesse des Schutzes der Persönlichkeit, sei es aus
öffentlichen Gründen zur Abwehr von Selbsthülfe und Gewalt, sei
es im Interesse des Eigenthümers zur Erleichterung des Eigen
thumsbeweises, sei es schließlich im Interesse der Nichtverschiebung
der Parteirollen — rechtlichen Schutz im Besitzprozeß genießt, da
wird der Besitz ein rechtlich geschützter Zustand, d. i. ein subjektives
Recht; ohne diesen positiv rechtlichen Besitzesschutz ist die reale Herr
schaft über die Sache ein Recht nicht; der rechtlich geschützte Besitz
ist aber nicht mehr und nicht minder ein Recht auf die Sache als
die anderen sogenannten dinglichen Rechte.
2. Offenbar haben die Motive auch nicht den Nachdruck auf
die Realität der Herrschaft legen wollen; wäre wirklich unter der
Dinglichkeit reale Herrschaft gemeint, so könnte es, da ein Begriff
nicht Ausnahme haben kann,') einen Nießbrauch und ein Pfand
recht an Rechten nicht geben; offenbar gehen die Motive nur
im Ausdrucke zu weit und haben nur sagen wollen, daß in
der unmittelbaren rechtlichen Herrschaft mit anderen Worten in
der unmittelbaren Beziehung zur Sache das Wesen der Dinglichkeit
liege. Ganz abgesehen davon, daß, wenn das Moment der Realität
ausscheidet, das Dogma von der Körperlichkeit der Sache fällt,
denn nur die reale Herrschaft verlangt reale Objekte — widerspricht
die Definition der Motive auch so dem innersten Wesen des subjek
tiven Rechts.
Es giebt keine unmittelbaren rechtlichen Beziehungen zu Sachen;
es giebt kein Recht gegen Sachen in dem Sinne, daß die Sache
gewaltunterworfen wäre, mag auch römische und heutige Sprech
weise für meinen Eigenthumsanspruch an einer Sache den Ausdruck
„res mea“ „meine Sache" haben.
Wenn die Rechtsordnung dem Eigenthümer gestattet, er dürfe
seine eigene Sache belasten, veräußern, vernichten, so heißt das nicht,
die Sache müsse sich das gefallen lassen, sondern?) kein Mensch darf
ihn daran hindern, ihn dieserhalb zur Verantwortung ziehen, alle
*) Schloßmann, S. 101. § 1. D. de diversis reg. jur. 50, 17; quae
simul quum in aliquo vitiata est, perdit officium suum.
2) Wofern man — eine Frage, die hier nicht interessirt — überhaupt jene soge
nannten Befugnisse als Rechte, d. h. als „Dürfen" im Gegensatz zum „Können"