Wesen der Dinglichkeit.
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zwange ausnehmen und dem in Besitz befindlichen Miether und
Pächter auch ohne Eintragung die dingliche Rechtsstellung verleihen
können. Dem sollte der Entwurf sich anschließen, denn alle Argu
mente, welche die Motive gegen das preußische Recht geltend machen,
sind unzutreffend.
a) Das prinzipielle Bedenken, daß die preußisch-rechtliche
Dinglichkeit der Miethe auf dem verwerflichen Grundsatze der Ver
dinglichung des jus ad rem durch Besitz beruhe, ist im ersten Theil
der Schrift beleuchtet und es ist dort darzuthun versucht worden, daß
dieses Prinzip berechtigter und logischer ist als der willkürliche
numerus clausus der römischen dinglichen Rechte.
b) Einen größeren Schein von Berechtigung hat der Vorwurf
der Inkonsequenz, den man gegen das preußische Recht erhebt, weil
es für den Fall der Zwangsversteigerung und der Veräußerung im
Konkurse des Vermiethers dem Miethsrecht die dingliche Kraft ent
zogen hat.
Aber man übersieht dabei, daß das Preußische Recht früher
nicht blos Miethe und Pacht, sondern auch andere dingliche, ins
besondere die Hypothekenrechte, für den Fall der Zwangsversteigerung
inkonsequent behandelt hat, und daß erst durch das Gesetz vom
13. Juli 1883 die Zwangsversteigerung in Immobilien von den
Grundsätzen des Konkursverfahrens losgelöst und die der wahren
Natur der Dinglichkeit entsprechenden Grundsätze zur Geltung gebracht
sind, wonach der Zwangsverkauf nicht mehr ein — jedes Recht zur
Liquidation bringender — Partikularkonkurs ist, sondern nur unter Wah
rung derjenigen Rechte erfolgen darf, welche dem Rechte des betrei
benden Gläubigers vorgehen, daß insbesondere ältere Realrechte durch
den Zwangsverkauf so wenig als möglich modifizirt werden sollen.
Die Miethe und Pacht aber steht vorläufig noch') unter der
Herrschaft der älteren Rechtsnormen2), und vielleicht würde man
über kurz oder lang, wenn das deutsche Civilgesetzbuch nicht vor
der Thür gestanden hätte, auch Miethe und Pacht diesen neuen
Grundsätzen entsprechend normirt haben. Jedenfalls kann die an
gebliche Inkonsequenz, die das preußische Recht bei Miethe und
Pacht im Subhastations- und im Konkursfalle aufweist, nicht dazu
1) §. 22 Abs. 3 Ges. v. 13. Juli 1883.
2) Man wollte nicht, daß „Miether oder Pächter den Kreditoren in Ver
folgung ihrer Gerechtsame (sollten) präjudiziren können, was doch geschehen