§. 1.
Kodifikationsschwierigkeiten im Sachenrechte.
Einer einheitlichen Kodifikation des in deutschen Landen gelten
den Rechts setzt das Sachenrecht ungleich größere Schwierigkeiten
als das Obligationenrecht entgegen. Für das Obligationenrecht ist das
römische Recht die klassische, fast ausschließliche Grundlage geblieben;
an dem Bau des römischen Obligationenrechts haben die Jahrhun
derte kaum mehr geändert, als daß sie das starre „juris vinculum'
gelockert, den Eintritt Dritter in den Obligationenverband durch
Zession, Schuldübernahme, Verträge zum Vortheile Dritter, Aus
stellung von Obligationen auf den Inhaber ermöglicht oder erleichtert
mit andern Worten die Obligation so zu sagen konkretisirt haben.
Aber im Sachenrechte haben sich allenthalben deutsch-nationale Auf
fassungen und Rechtsgebilde mit großer Zähigkeit festgehalten und
das römische Recht stark durchsetzt.
Nach den Gründen dieser Erscheinung ist oft gefragt worden;
in seiner geistvollen Uebersicht über das Pandektenrecht, die Bruns
in v. Holtzendorff's Enzyklopädie der Rechtswissenschaft giebt,
ist mit Recht hervorgehoben, daß die römischen Juristen bei der Be
handlung und Entwicklung selbst der verrufensten Materie ihres
Sachenrechts, nämlich dem Pfandrechte, denselben Scharfsinn und
dieselbe grandiose Konsequenz entwickelt haben, wie in allen übrigen
Theilen des Rechts. Und doch hat die Schärfe und konsequente
Durchführung der Rechtsbegriffe, die dem römischen Obligationenrecht
die geradezu ausschließliche Herrschaft in Deutschland, ja fast der
ganzen zivilisirten Welt erobert hat, im Sachenrechte nicht gleiche
Erfolge erzielen können. Das kann nicht Wunder nehmen! Das
*) Bd. l. (4. Aufl.) S. 456.
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