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Spätere Entwickelung des Unde vi.
waltsame Wegnahme einer fremden Sache gesetzt hatte,
dem Detentor androht, der die ihm obliegende Rückgabe
aus hinfälligen Gründen bis zu seiner Verurtheilung
weigert.
Uebrigens kann es keinem Zweifel unterliegen, daß
sich das Gesetz ebensowohl auf bewegliche Sachen bezieht,
als auf Grundstücke.
10. In classischer Zeit hatte sich, wie wir gesehen
haben**), der Satz entwickelt, daß der in eigner Person
solo animo geübte Besitz eines Grundstücks (vacua pos
sessio absentium) nicht schon durch dessen Occupation in
Abwesenheit des Besitzers verloren geht, vielmehr erst
dann verloren ist, wenn entweder der Versuch des bis
herigen Besitzers, ihn zu behaupten, abgewiesen wird, oder
dieser, nachdem er Kunde von der Occupation erhalten
hat, einen derartigen Versuch unterläßt. Während ihm
im erstern Falle das Unde vi zu Gebote stand, fehlte ihm
im andern jedes possessorische Rechtsmittel: er hatte seinen
Besitz animo aufgegeben.
Nun verpönt 1. 7 Cod. h. t. jede außergerichtliche
Bemühung des bisherigen Besitzers seinen Besitz vom
thatsächlich besitzenden Oecupanten zurückzugewinnen, wenn
sie sich nicht jeder Gewalt, auch der Drohung mit solcher,
enthält. Demnach wird in sehr vielen Fällen der bis
herige Besitzer es gar nicht wagen, den Eindringling zur
Herausgabe des Besitzes außergerichtlich aufzufordern.
Denn ein Versuch dazu, hinter dem selbst nur der leiseste
Schein einer Drohung mit Gewalt steht, wird ihm des
halb verhängnißvoll, weil der weichende Occupant jetzt
der
seinerseits als dejicirt gilt; ein Versuch dagegen
sich
ängstlich jeden Schein der Drohung meidet, m. a. W.
76) S. oben §. 1848 Ziffer 7 S. 50f.
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