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Nachdem Tausende österreichischer Staatsbürger
ein vitales Interesse daran haben, dass das öster
reichische Eherecht in feste Bahnen gelenkt werde, und
nachdem die Abhilfe der besprochenen Uebelstände
schon seit Jahren angestrebt wurde, *9) ist mit Grund
vom österreichischen Reichsrathe sowie von der
Regierung die sofortige endliche Einbringung eines
schon seit Jahren geplanten neuen Ehegesetzes
auf freiheitlicher Grundlage der Gleichberechtigung
aller Confessionen zu erwarten, insbesondere bei
dem Umstande, als alle europäischen Cultur
staaten, so Frankreich, England, Belgien, Deutsch
land, Italien, Schweiz und neuestens Ungarn durch
Einführung der Civilehe mit gutem Beispiele voran
gegangen sind.
Im Interesse vieler Tausende unglücklicher
geschiedener Ehegatten, im Interesse einer mög
lichst innigen Verschmelzung unserer vielen Natio
nalitäten und Confessionen, im Interesse einer der
Staatseinheit dienenden Assimilirung der Gesetze
unserer zwei Reichshälften, welche beide unter
einem, den Grundsätzen der Freiheit huldigenden
*) Bereits im Jahre 1877 wurde im Herrenhause die
zuversichtliche Erwartung ausgesprochen, dass die Regierung
in naher Zukunft ein vollständiges bürgerliches Ehegesetz
einbringen werde. Unter den bezüglichen Antragstellern be
finden sich auch Plener, Rechberg und Scharschmied
neben Fürst Lichtenstein, Fürst Schwarzenberg und
Graf Clam-Gallas. (Siehe Fuchs a. a. O. S. 14.)
20) Ausgehend von dem Principe der Glaubens- und Ge
wissensfreiheit soll es keinem Staatsbürger benommen sein,
aus freiem Antriebe neben der Civilehe auch die kirchliche
Trauung einzugehen. — Es ist auch statistisch nachgewiesen,
dass dies in Ländern der obligatorischen Civilehe thatsäch
lich in den meisten Fällen geschieht.
Hier sei noch bemerkt, dass die kirchliche Trauung
ursprünglich weder nach römischem, noch nach canonischem
Rechte vorgeschrieben war, dass ferner sowohl das römische,
wie das mosaische Recht die freie gänzliche Ehetrennung
kennt.