Full text: Zeitschrift für Rechtsgeschichte (Bd. 1 (1862))

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auch in lebendig practischer Verbindung mit der GegenRart steht,
zu deren Förderung und Vervollkommenung alle geistige Arbeit
dienen soll.
Wer von den jetzt Lebenden noch selbst erfahren hat, wie all-
mählich die geschichtlichen Studien Einfluß auf die heutige Rechts-
wißenschaft gewonnen, wie aus historischer Erkenntnis des Römi-
schen Rechts das Bewußtsein und die Wißenschast eines deutschen
Rechts hervorgieng: für den bedarf es gewiß keines Beweises, daß
in dem Rechte, welches wir von den Vorfahren überkommen haben,
keine Entwicklungsstufe für abgethan oder veraltet, und kein Be-
standtheil für entbehrlich oder belästigend angesehen werden kann.
Denen aber, welche diesen persönlichen Eindruck nicht empfangen
haben, und zweifelnd vor dem vorwärts und rückwärts schauenden
Bilde der Gegenwart stehen, muß der heutige Stand unserer Rechts-
wißenschaft bezeugen, welche Wege uns hieher geführt haben, und
muß mit jedem Blick und jedem Schritt der Bewegung bestimmter
zum Bewußtsein kommen, daß die Sicherheit, mit welcher wir jetzt
im Recht denken und urtheilen, nicht aus hervorragender Begabung
unseres Zeitalters, sondern aus einem Erbtheil zu erklären ist, wel-
ches wir von jener uns zunächst liegenden Vergangenheit empfangen
haben. Gerade dadurch, daß man die Aufgabe unserer Zeit überall
zu einer solchen Beherrschung des Rechts steigert, wie die Codisi-
cation sie voraussetzt, giebt sich, soweit man hier ein berechtigtes
Motiv annehmen darf, die weite Verbreitung und Herrschaft der
Ueberzeugung kund, daß die geschichtliche Entwicklung des Rechts
dermalen genügend übersehen werden könne, und nun der Augen-
blick gekommen sei, die Resultate geschichtlicher Erkenntnis in der
Legislation zu verwerthen. Selbst diejenigen, welche von dieser
Erkenntnis wenig halten, und in der Geschichte keine Quelle des
Rechts, sondern nur Beispiele dessen sehen, was der Nachahmung
Werth sei oder nicht: müßen heutzutage bekennen, daß wir wenig-
stens die kritische Methode, ohne welche jetzt keinerlei rechtswißen-
schaftliche Aufgabe mehr gelöst werden kann, einer Schule verdan-

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