Full text: Archiv für bürgerliches Recht (Bd. 11 (1896))

Das bürgerliche Gesetzbuch im Reichstag.

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abwälzen kann, schwer gerächt. Mit Fug mußte sie sich deswegen von
berufener Seite — ich erinnere an Jhering, A. Menger und Petra-
zycki — harte Worte sagen lassen.
So gehören wir denn auch, und wir vor allen, zu denen, welchen
diel Verhandlungen gewidmet sind; an uns ist es, mit offenen Ohren
aufzuhorchen auf das, was die verschiedenen politischen und wirthschaft-
lichen Gruppen, was der unbefangene Laienverstand durch seine gewählten
Vertreter über unser Produkt denken. Aus diesem Gesichtspunkte heraus
mag hier ein kurzes Gesammtbild vom Gange der Verhandlungen und
ihren wesentlichen Ergebnissen entworfen werden.

II.
Unter den Reden, die wir an den denkwürdigen vier Märztagen
im Reichstage gehört haben, nehmen die der drei Bevollmächtigten bezw.
Kommissare des Bundesrathes — des Staatssekretärs Nieberding,
des Geheimraths Planck und des Professors Sohm, formell wie in-
haltlich eine Sonderstellung ein. Sie geben die offizielle Rechtfertigung
des Entwurfes, gewissermaßen eine Art verjüngter Motive, mit denen
die Regierungen oder, wenn man will, die Verfasser des Entwurfes,
ihr Geisteskind, um mit Nieberding zu reden, vertrauensvoll in die
Hände der Volksvertretung gelegt haben, überzeugt, daß sie erkennen
werde, welcher Entschluß gewaltiger politischer Tragweite ihr damit an-
heimfällt. Mit kurzen, markigen Geleitworten voll patriotischen Schwunges
wird hier dem deutschen Volke das schönste Angebinde dargebracht, mit
dem es sich im Jubiläumsjahr der wiedergewonnenen Einheit schmücken
möge, um das buntscheckige „ Harlekinkleid" (S o h m) der Rechtszersplitterung
mit dem Königskleid zu vertauschen.
Von den drei Reden hatte die des Staatssekretärs vornehmlich die
allgemeine politische Seite der Aufgabe zu erläutern. Anschaulich schildert
sie alle jene Einheitsbestrebungen, die seit den Tagen des alten Patrioten
Thibaut das ganze Jahrhundert hindurch im Sinne einer Vereinheit-
lichung unseres Privatrechtes gewirkt haben, nur allzu lange ohne sicht-
baren Erfolg; ergreifend thut sie dar, wie unser Recht nicht nur an
Zersplitterung krankt, sondern wie — vielleicht schlimmer noch als das
— fast die Hälfte der Deutschen sich aus fremdsprachigen Gesetzbüchern
ihr Recht suchen muß, während der Rest größtentheils nur solche

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