Full text: Archiv für bürgerliches Recht (Bd. 19 (1901))

Eheliche Nutznießung im B.G.B.

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fugniß zu verschaffen. Vor Allein ist hier auch der Besitz zu erwähnen,
der genau betrachtet (vgl. insbesondere den Besitzübergang beim Erbfall),
auch nichts Anderes als ein dingliches Recht an der Sache ist, wiewohl
ihn das Gesetzbuch nicht so bezeichnet. Schließlich sei nur noch auf
das angebliche dingliche Mieth- und Pachtrecht hingewiesen, das manche
aus § 571, 577 B.G.B. unzulässigerweise ableiten wollen?")"^
Freilich ist von einzelnen Seiten in der Subkommission4") eine
abweichende Auffassung zum Ausdruck gebracht worden. Von einem
Mitglied wurde, wie schon erwähnt, angeregt, in § 1363 die Nutz-
nießung zu streichen, da die besondere Erwähnung der Nutznießung das
„Mißverständniß" nahe lege, als solle dem Mann ein dingliches Recht
an den einzelnen Frauengutsgegenständen zustehen. Von anderer Seite
wurde dieser Vorschlag bekämpft, freilich mit der Einräumung, daß,
wenn man von einein Recht der Nutznießung spreche, dadurch das
Mißverständniß nahe gelegt werde, als ob dem Manne selbst das
dingliche Recht des Nießbrauchs zustehe. Die Mehrheit entschied sich
jedoch für Beibehaltung der Nutznießung. Im Gesetz selbst hat also,
abgesehen davon, daß die erwähnten Aeußerungen mehrfacher Deutung
fähig sind, diese abweichende Auffassung keinen Ausdruck gefunden und
nur daraus koinmt es an. Damit ist der juris intsrpratntio freie
Bahn gegeben, die nicht bloß die Gedanken des Gesetzgebers nach-
zudenken hat, wenn man so sagen darf, denn dieses Impersonale, um
mit Hartmann4") zu reden, das weder Kopf noch Kragen hat, kann
eigentlich nicht denkeil. Ja selbst wenn es die Auffassung der Mehrheit
der zweiten Kominission wäre, so würde dies die Sachlage nicht ändernd
Denn der Wille. des Gesetzgebers darf nicht mit dem Willen der
einzelnen Verfasser, die in den mannigfachen Stadien der Entwickelungs-
geschichte des Gesetzes mitgewirkt haben, verwechselt werden. Mit der
Publikation reißt sich das Gesetz voll seinem Urheber los als selb-
ständige Größe, der gegenüber der Wille ititb die Meinung der eigent-
,4ä) Vgl. Cosack, Lehrbuch 111 S. 280 f.
143) Hier mag auch der analog der ehelichen Nutznießung geregelten elter-
lichen Nutznießung 88 1650f. gedacht werden. Auch hier müssen wir zu dem-
selben Resultat gelangen, auch die elterliche Nutznießung erscheint als ein ding-
liches Recht, mag man sie nun historisch arrs ältere deutsche oder römische Recht
anknüpfen.
144) Protokolle Bd. 4 S. 140.
14B) Archiv für civil. Praxis Bd. 73 S. 405.

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