Full text: Archiv für bürgerliches Recht (Bd. 19 (1901))

Eheliche Nutznießung im B.G.B.

255

öen gesetzlichen Nießbrauch an besonderem Orte darstelle und ihn als
Nutznießung bezeichne, aber zum großen Theil unter Verweisung auf
den Nießbrauch regele, die eheliche Nutznießung sei dem Nießbrauch im
Wesentlichen nachgebildet.
Unbestrittenermaßen hat das Bürgerliche Gesetzbuch in der Regelung
seines gesetzlichen Güterstands das alte sächsische Recht wieder aus-
genommen. Es wird daher nicht bloß aus historischen Gründen, sondern
wesentlich auch aus Rücksicht auf die Bedeutung für das geltende Recht
die Untersuchung sich zunächst darauf zu richten haben, welche Stellung
zu dieser Frage das sächsische eheliche Güterrecht, insbesondere der
Sachsenspiegel, und die spätere Rechtsentwickelung einnimmt, und im
Zusammenhang hiermit wird dann auf Grund der gewonnenen Er-
gebnisse die Bedeutung der Normen des Bürgerlichen Gesetzbuchs und
der rechtliche Charakter der ehelichen Nutznießung in demselben zu be-
stimmen sein. Für diesen Zweck wird es zunächst nöthig sein, die beiden
Begriffe Munt und Gewere, die eine Hauptrolle im Güterrechtssystem
des Sachsenspiegels spielen, in ihren Grundzügen zu erörtern, soweit
dies für die gegenwärtige Untersuchung erforderlich ist.
A. Die historischen Grundlagen des sächsischen ehelichen Güterrechts.
Munt.
II.
Die Familienverhältnisse sind ihrem Wesen nach sittliche Verhältnisse
und daher nur in geringem Umfang rechtlicher Regelung zugänglich.
Ursprünglich lediglich dem freien Walten der Sittlichkeit und der Sitte
anheimgegeben, werden sie im Laufe der Entwickelung mehr oder weniger
auch Gegenstand rechtlicher Bestimmung, in verschiedenem Maße je nach
den Zeitverhältnissen, der Anlage und dem Kulturzustand eines Volkes.
Man denke an die eingehende Regelung der Ehescheidung in unserem
Bürgerlichen Gesetzbuch und das freie Scheidungsrecht der klassischen
Zeit in ihrem divortium und repudium. Soweit die Familien-
verhältnisse Gegenstand rechtlicher Ordnung geworden sind, sind sie eben
damir auch Rechtsinstitute mit rechtlich anerkanntem und eventuell recht-
lich erzwingbarein Inhalt geworden.
Die Grundlage des deutschen Familienrechts bildet die Munt, ja
darüber weit hinaus ist sie das beherrschende Prinzip für alle persön-
licher: Abhängigkeits- und Unterwürffgkeitsverhältnisse geworden. In

Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.

powered by Goobi viewer