Full text: Archiv für bürgerliches Recht (Bd. 19 (1901))

Selbsthülfe.

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Sie ist eine eigenmächtige aggressive in der Regel provisorische
Rechtssicherung im Nothfall.
Sie ist ein Rechtsschutzmittel, denn sie setzt das Vorhandensein
eines klagbaren Anspruchs voraus.
Sie ist ein Nothrecht, denn sie ist nur zulässig im Falle der
Gefahr der Vereitelung oder wesentlicher Erschwerung der Durchsetzung
dieses Anspruchs und bei Nichterreichbarkeit obrigkeitlicher Hülfe.
Sie ist erlaubte Eigenmacht, denn sie gestattet ein zwangsweises
Einschreiten von Privaten in eine fremde Rechtssphäre.
Sie ist aggressiv, denn sie gestattet diese Eigenmacht auch dem
völlig ruhigen Schuldner gegenüber.
Sie ist provisorisch, denn sie bedarf in der Regel der nachherigen
gerichtlichen Bestätigung und außerdem noch der darauf folgenden Klage.
Alle diese verschiedenen Seiten der Selbsthülfe sollen im Folgenden
kurz erörtert und mit verwandten Rechtsinstituten verglichen werden.
1. Voraussetzung der Selbsthülse ist also vor allen Dingen, daß
ihr ein Rechtsanspruch zu Grunde liegt, sie ist ein Rechtsschutzmittel.
Damit tritt sie in eine Reihe mit allen anderen Rechtsschutzmitteln,
den gerichtlichen, wie Klage, Arrest, einstweilige Verfügung u. s. w. und
den nichtgerichtlichen, wie Nothwehr, Pfändung u. s. w.
Den Gegensatz zu den letzteren, den eigenmächtigen Rechtsschutz-
mitteln, bildet der Nothstand. Bei diesem ist Eigenmacht erlaubt, ohne
daß irgend ein klagbarer Anspruch zu Grunde liegt. Der Bedrängte
darf das fremde Rechtsgut dem eigenen nur im Wege der Eigenmacht
nufopsern.
Der Nothstand stellt gleichsam eine eigenmächtige Enteignung dar.
Bei beiden, beim Nothstand, wie bei der Enteignung, wird das weniger
wichtige Rechtsgut dem wichtigeren aufgeopfert. Während aber bei dem
Nothstand der Gefährdete selbst von seinem subjektiven Standpunkt aus
über die größere und geringere Wichtigkeit der Rechtsgüter entscheidet,
regelt bei der Enteignung diese Frage nach objektiven Rücksichten der
Staat.
2. Die Selbsthülfe ist Sicherstellung eines gefährdeten Anspruchs,
sie ist ein Nothrecht.
Es ist in der geschichtlichen Einleitung bereits hervorgehoben, daß
hierin das Hauptmerkmal der modemen Entwickelung der Selbsthülfe liegt.
Auch hierin steht die Selbsthülfe nicht allein. So sind z. B. Noth-

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