Full text: Archiv für bürgerliches Recht (Bd. 30 (1907))

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K. Lassen.

als wesentliche Voraussetzung der Anwendbarkeit des § 260 BGB.
gefordert, daß ein „zur Herausgabe einer etwa vorliegenden Mehrheit
von Sachen einheitlich verpflichtendes Rechtsverhältnis" gegeben sei.
Was mit jener Einheitlichkeit des Rechtsgrundes bezw. Rechts-
verhältnisses gemeint ist. leuchtet nicht ohne weiteres ein.
Soviel scheint unzweifelhaft, daß diese Einheitlichkeit nicht durch
die Identität des Rechtsverhältnisses in attracto hergestellt werden
kann. Es genügt also nicht, daß die mehreren Sachen alle auf Grund
von Kaufverträgen oder auf Grund von Aufträgen herauszugeben sind,
oder daß jemand als Besitzer mehrerer fremder Sachen zu deren Heraus-
gabe an den Eigentümer verpflichtet ist — welcher Fall in dem ange-
zogenen Reichsgerichtsurteil zur Entscheidung stand. Die rein äußerliche
und zufällige Gleichheit des Rechtsgrundes kann die Zusammenfassung
mehrerer Sachen zu einen: Sachinbegriffe nicht rechtfertigen.
Es kann sich demnach nur um die Einheit des konkreten zwischen
Berechtigten und Verpflichteten bestehenden Rechtsverhältnisses handeln.
Unter einem Rechtsverhältnis ist aber die Summe derjenigen
Rechtsbeziehungen d. h. derjenigen gegenseitigen Rechte und Pflichten
zu verstehen, welche nach Maßgabe des Gesetzes als die Rechtsfolgen
eines konkreten Tatbestandes zwischen zwei Parteien entstanden sind.
Unter einem einheitlichen Rechtsverhältnis kann nur die Summe der-
jenigen Rechte und Pflichten verstanden werden, welche aus einem
konkreten Tatbestände hervorgegangen sind, d. h. denselben tatsächlichen
Entstehungsgrund haben.
Mehrere Sachen sind also aus demselben bezw. einem einheitlichen
Rechtsverhältnis herauszugeben, wenn der in Ansehung jeder einzelnen
der mehreren Sachen (und gerade in Ansehung dieser) bestehende
Herausgabeanspruch auf denselben tatsächlichen Entstehungsgrund z. B.
ein bestimmtes Ereignis, eine bestimmte Handlung des Verpflichteten
zurückzuführen ist.
Ist der Tatbestand, an welchen die Rechtsnorm die Wirkung der
Herausgabe knüpft, mehrmals selbständig gegeben, hat z. B. der zur
Herausgabe an den Eigentümer verpflichtete Besitzer fremder Sachen
den Besitz an den einzelnen Sachen durch mehrere von einander unab-
hängige Handlungen erworben, so liegen so viele besondere Rechts-
verhältnisse vor als selbständige Tatbestände, welche je für sich einen
Herausgabeanspruch begründen, gegeben sind.

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