Full text: Archiv für bürgerliches Recht (Bd. 29 (1906))

6. Das Prüfungsrecht des Vormundschaftsgerichts bei Anordnung einer Pflegschaft zur Vertretung des Pfleglings in Rechtsstreitigkeiten

4.

Das prüfungsrechl des Vormundschaftsgerichts
bei Anordnung einer Pfiegfchast zur Vertretung des
Psiegtings in Rechtsstreitigkeiten.
Von Rechtsanwalt Dr. Engen Josef in Freiburg in Breisgau.

Dem Beschluß des Kammergerichts vom 2. Februar 1903
(OLG. 6, 302) liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Einer minder-
jährigen Miterbin war zwecks Verwaltung des ihr zugesallenen Erbteils
und zur Vertretung bei der Nachlaßteilung 3£. als Pfleger bestellt. Im
Auseinandersetzungsverfahren ergab sich, daß die Minderjährige für ihre
Eltern ohne Genehmigung des Vormundschaftsgerichts eine Bürgschaft
geleistet hatte und daß gegen sie, vertreten durch ihren Vater, ein
Bersäumnisurteil rechtskräftig ergangen war, auf Grund dessen ihr
Erbteil gepfändet war. 3£. beantragte darauf, der Minderjährigen zur
Wahrnehmung ihrer Rechte durch Erhebung der Nichtigkeits- oder
Schadensersatzklage einen Pfleger zu bestellen. Die Jnstanzgerichte
wiesen den Antrag wegen Aussichtslosigkeit des zu verfolgenden An-
spruchs zurück, das Kammergericht ordnete die Pflegschaft an mit der
Begründung: Das Vormundschaftsgericht dürfe in eine sachliche Prüfung
der Begründetheit des Anspruchs nicht eintreten; diese Prüfung liege
lediglich dem Pfleger ob, dessen Bestellung schon erfolgen müsse, wenn,
wie hier zweifellos, eine Angelegenheit vorliege, an deren Besorgung
der Vater behindert ist, die sonach der Prüfung durch einen Pfleger
bedarf; dieser allein habe sich über die gerichtliche Verfolgung des
Anspruchs schlüssig zu machen und von ihr abzusehen, wenn er sie für
aussichtslos halte. Das Vormundschaftsgericht dürfe daher die Be-
stellung eines Pflegers regelmäßig nicht deshalb verweigern, weil es
den Prozeß für aussichtslos halte.

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