Full text: Archiv für bürgerliches Recht (Bd. 29 (1906))

Preisbestimmung und § 826 BGB.

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handelt), nur solche Fälle, wo jemand entweder durch die eigenartige,
arglistig beabsichtigte Verbindung von (an sich erlaubten) Rechtsbehelsen
ein schlimmes Ergebnis herbeiführt, also das Recht gegen das Recht
benutzt, oder solche, wo jemand eine unsittliche Handlung begeht, wodurch
das Eigentum anderer entwertet wird oder Kosten entstehen, die auf-
gewendet werden müssen, um die Folgen der Unsittlichkeit zu zerstören?)
Beides liegt hier nicht vor. Im übrigen aber sind die guten Sitten
keine selbständigen Rechtsgüter, sondern sie sind nur die Behüter der
rechtlich eingehegten Gebiete. Das Gegenteil würde zu einer heillosen
Verwechselung von Moral und Recht führen, und ebenso gut wie man
eine Haftung des Warenhauses aus einer derartigen Handlungsweise
annimmt, könnte man es als ein (zum Schadenersatz verpflichtendes)
Handeln gegen die guten Sitten erachten, wenn sich jemand ein
doppeltes Mittagessen bestellt, während daneben ein armer Teufel am
Hungertuche nagt. Dies die eine Frage.
Eben diese Frage kommt aber hier gar nicht in Betracht, denn
eine davon völlig verschiedene Frage ist es, ob die Niedrigsetzung
der Preise darum eine unsittliche oder ungerechte Tat ist,
weil der Verkäufer durch ungehörige Mittel sich in den Stand
gesetzt hat, diese niedrigen Preise anzusetzen, ohne sich selbst
in seinem Vermögen zu schädigen. Diese Frage darf mit der
vorigen gar nicht verwechselt werden; vielmehr muß man sagen: wenn
ein Verkäufer den Preis festsetzt, so ist es hierfür völlig unerheblich,
auf welche Weise er sich diese Preissetzung ermöglicht, ob er so wohl-
habend ist, daß ihn der Verlust gar nichts angeht, oder ob er einen
besonderen Fond dafür zur Verfügung hat, oder ob er sich anderer
Mittel bedient: wenn heute Rockefeller eine halbe Auflage aller deutschen
Bücher von gewissen Sortimentern zum ordentlichen Ladenpreise kauft, und
dann, etwa aus menschenfreundlicher Absicht, die Werke zu einem Zehntel-
preise verkauft, indem er selber den Preisverlust trägt, so kann ihm
niemand etwas anhaben; oder will man auch hier einschreiten? Und
ebensowenig kann man gegen ein Warenhaus Vorgehen, das niedrigere
Preise ansetzt; und wenn jemand, anstatt den Verlust zu tragen, sich
irgend welcher Mittel bedient, um die Ware zu einem billigeren Preise
zu erlangen, so ist dies für den Verkehr mit dem Dritten ebenso

*0 Lehrbuch des bürgerlichen Rechts H S. 533 f.

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