Full text: Archiv für bürgerliches Recht (Bd. 39 (1913))

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Kitz.
Jurisprudenz -) nicht nur prinzipiell anerkannt, sondern auch
dogmatisch verwertet werden muß. Ich habe selbst vor einigen
Jahren für die dringendste Aufgabe einer zukünftigen Theorie
der Rechtsquellen bezeichnet, das durch die Rcchlsanwendung
entstehende Richterrecht als Bestandteil des geltenden Rechts-
systems und als ein höchst wichtiges Moment des tatsächlich
geübten Rechts seiner großen Tragweite gemäß zu würdigen
und zum Ausdruck zu bringen.2 3) Dies bedeutet aber zunächst,
daß der landläufige metaphysisch-transcendentale und von Grund
aus falsch konzipierte Begriff des „Gewohnheitsrechts" im Sinne
der historischen Juristenschule auszuschalten und durch andere,
die soeben erwähnte schöpferische Kraft des Richterrechts zur
Geltung bringende Begriffe zu ersetzen sei.3®)
Ich glaube einige Ergebnisse der englischen und ameri-
kanischen Rechtswissenschaft bei Ausbau einer solchen Theorie
wohl verwerten zu können. Die Existenzberechtigung einer sol-
chen Darstellung scheint mir um so mehr begründet, als diese
Ergebnisse der modernen englischen und amerikanischen Lite-
ratur durch die kontinentale Lehre — und insbesondere auch
durch das Schrifttum des zivilistischen Methodenstreites — so
gut wie unberücksichtigt blieben. Die landläufige kontinentale
Kritik begnügt sich bei der Darstellung der englischen Theorie
mit der Reproduktion der alten Black st on e-Step henschen
Lehre und scheint die heute herrschende, vor allem durch Austin
zur Herrschaft gelangte Doktrin nicht zu kennen. Ja selbst Lam-
bert, der in seinem wertvollen Buche „La lonction du droit
civil compare, T. I. Les conc&ptions etroites ou unilaterales“
(Paris, 1903) eine auf gründlichen rechtshistorischen Nachfor-
schungen beruhende kritische Darstellung der Lehre des Gewohn-
heitsrechts bietet, scheint diese Ergebnisse der modernen englischen
und amerikanischen Rechtslehre — die doch seiner eigenen,
2) Die „Schaffenstat", mit Oertmanns treffendem und be-
zeichnendem Ausdruck (Gesetzeszwang u. Richterfreiheit, S. 11).
3) Kitz, Billigkeit und Recht mit besonderer Berücksichtigung
der Freirechtsbewegung, Arch. f. Rechts- und Wirtsch. phil. 3. 550.
«») Vgl. Kitz, Gesetzesauslegung und ungeschriebenes Recht, Jhv-
rings I. 58. 474, so auch Danz, Einführung, S.73.

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