10 Josef Köhler, Ein Fall der Menschenhilfe im Privatrecht.
leidenden; wird sie schuldhafterweise nicht erfüllt, so tritt diesem
gegenüber volle Pflicht zur Schadensvergütung ein; nach dem
Sprachgebrauch des BGB. (8 823) ist der 8 22 des Autogesetzes
ein Schutzgesetz zugunsten des Verletzten. Dazu kommt die Straf-
bestimmung des 8 22; beides setzt schuldhafte Nichterfüllung vor-
aus. Es tritt daher weder Strafe noch Entschädigungspflicht ein,
wenn der Urheber der Gefahr
sich 1. bezüglich der Hilfsbedürftrgkeit oder 2. bezüglich
der Umstände, welche eine Hilflosigkeit herbeiführten, in
entschuldbarer Unkenntnis befand.
Wer also nichts vom Unfall bemerkt, oder nicht bemerkt, daß
dadurch eine Hilflosigkeit eintritt, der ist regelmäßig entschuldigt;
haftbar wird er nur, wenn er auch in dieser Beziehung nicht die
erforderliche Sorgfalt anwendet, wenn er nicht so weit um sich
blickt, als man von ihm verlangen kann; z. B. es wird jemand
durch ein Hinterrad verletzt, es fällt ein Junge herunter, der sich
hinten an das Auto gehängt hatte. Bemerkenswert ist natürlich,
daß, wer mindestens den Unfall bemerkt, besonders verpflichtet ist,
sich nach der Hilflosigkeit zu erkundigen; ein Verschulden liegt hier
leichter vor, als wenn der ganze Unfall unbekannt geblieben ist.
Übrigens ist ein Verschulden auch dann nicht gegeben, wenn der
Hilfeverpflichtete durch eine höhere Pflicht an der Hilfe verhindert
wird, wenn er z. B. als Arzt zu einem Todkranken eilen muß.
Eine Pflicht schlägt die andere.