Full text: Archiv für bürgerliches Recht (Bd. 38 (1913))

Ausstoßung aus Vereinen.

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andere Anhaltspunkte fehlen, die freischöpfende Tätigkeit des
Richters Platz greift.
Wenn nun gar nichts über den Ausschluß in den Statuten
gesagt ist, wird man gleichwohl dem Verein die Ausstoßungs-
befugnis zuerkennen müssen. Man ergänzt dann, was die Ver-
fasser der Statuten nur vergessen haben. Gegebenenfalls kann
man sich an allgemeiner gehaltene Sätze der Statuten anklam-
mern. So beispielsweise, wenn ein Paragraph vorhanden ist,
der besagt, daß die Beschlußfassung „in allen übrigen Angelegen-
heiten" der Hauptversammlung Vorbehalten bleibt. In solchem
Falle wird der, der jede Lückenfüllung aus bestimmten Texten
ableiten zu müssen glaubt, die Ausstoßung als eine der
„übrigen" Angelegenheiten hinstellen und behaupten, die Sache
sei eben doch in den Satzungen selbst geregelt. Eine nicht so
äußerliche Begründung wird sich auf den Zweck allen Vereins-
lebens stützen, wie er sich etwa in dem Sprichwort verkörpert:
„Einigkeit macht stark". Mit diesem Grundzweck ist es unver-
einbar, daß der Störenfried nicht soll entfernt werden dürfen.
Darum gilt der Satz von der Ausschließungsbefugnis des Ver-
eins auch dann, wenn er im geschriebenen und gedruckten Texte
der Statuten fehlt.
II. Eine viel schwierigere Frage ist die, ob das Ausschließungs-
recht ein schrankenloses oder an bestimmte Grün-
de gebunden sei. Die Frage taucht nicht nur dann auf,
wenn überhaupt nichts über die Ausstoßung in den Statuten
steht, sondern auch dann, wenn zwar grundsätzlich die Aus-
schließungsbefugnis im Texte niedergelegt ist, aber über die
Gründe geschwiegen wird. Das Reichsgericht hat zu diesem
Problem in einem Urteil aus dem Jahre 1910 Stellung ge-
nommen, allerdings nur in halbem Umfange 2). Es handelte
sich um einen Fall, in dem der Ausschluß lediglich darauf ge-
stützt wurde, daß die Mehrheit als Trägerin der Souveränität
des Vereins so beschlossen habe. Die Vorinstanz (das Ober-
landesgericht Karlsruhe) hatte dieses Argument für ausreichend
erachtet und damit ein unbeschränktes Ausschließungsrecht an-
erkannt. Das Reichsgericht verwarf aber ein solches „auf freies
Belieben" gestütztes Ausschließungsrecht und erklärte höchstens

Urteil des IV. ZS. vom 23. März 1910 (Entschd. 73, 187 ff.).

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