Fürsorgeerziehung.
289
sondern aus sachlichen Gründen angenommen. Man glaubte nämlich
die Grenze derart festsetzen zu müssen, „daß der Zeitraum vom Beginne
der Zwangserziehung bis zu ihrem gesetzlichen Ende (d. i. nach § 13
g.E.G. bis zur Volljährigleit des Zöglings) ausreicht, um den
Erfolg der Maßregel zu sichern", und man hielt hierzu den Zeit-
raum von mindestens 3 Jahren für unbedingt erforderlich. (Begründung
3. 15.) In den Kommifsionsberathungen und den parlamentarischen
Perhandlungen wurde dann nur darüber diskutirt, ob nicht die Alters-
grenze herab zu setzen, weil bei Minderjährigen von fast 18 Jahren
die Verwahrlosung in der Regel schon so tiefe Wurzeln geschlagen
habe, daß eine Besserung nicht mehr zu erhoffen sei. (Sten. Bericht
der Abgeordnetenhaus-Kommission S. 6, Bericht der Herrenhaus-
.Eommission S. 2, Prot, der Abgeordnetenhaus-Sitzung vom 26. April
1900, Drucks. S. 3953, 3957 s.)
III. Das praktische Ergebnis der vorstehenden
Erörterungen
ist folgendes:
Der preußische Vormundschaftsrichter hat in allen Fällen, in
denen die Unterbringung eines Minderjährigen in eine fremde Familie
oder in eine Erziehungs- oder Besserungsanstalt gegen den Willen der
Eltern oder sonstigen Erzieher in Frage steht, einzig und allein
das Fürsorgeerziehungsgesetz und die in diesem selbst in Bezug
genommenen anderweitigen Vorschriften anzuwenden. Nur so gelangen
mir zu einem einheitlichen, befriedigenden, die vielgestaltigen Privat-
iuteresseu nicht minder wie das öffentliche Interesse schützenden Rechts-
zustande. Das Vormundschaftsgericht braucht nicht mehr unschlüssig
zwischen dem Fürsorgeerziehungsgesetz und dem Bürgerlichen Gesetz-
buche hin und her zu pendeln. Es hat in materieller Hinsicht zu-
nächst zu prüfen, ob ein noch nicht 18 Jahre alter Minderjähriger
aus einem der im § 1 Nr. 1 bis 3 des Fürsorgeerziehungsgesetzes be-
zeichneten Gründe der Gefahr der Verwahrlosung oder weiterer Ver-
wahrlosung oder völligen sittlichen Verderbens entgegensteuert. Ist
dies der Fall, so hat sich die weitere Prüfung des Vormundschafts-
gerichts darauf zu erstrecken, ob die Unterbringung des Minderjährigen
zur Fürsorgeerziehung erforderlich erscheint. Dies ist, wie die Aus-
sührungsbestimmungen vorn 18. Dezember I960 mit Recht betonen,