Full text: Archiv für bürgerliches Recht (Bd. 20 (1902))

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Muskat.

richterlicher und verwaltungsbehördlicher Kompetenz entscheiden läßt, so
liegt hier das Kriterium darin, daß das Landesgesetz die Unterbringung
auf öffentliche Kosten positiv vorschreibt, wie dies ja auch dnc>
preußische Fürsorgeerziehungsgesetz thut. Vom Standpunkte des Für
sorgeerziehungsgesetzes selbst aus sucht man aber vergebens nach
einen: Unterscheidungsmerkmale zwischen den Fällen der öffentlichen Für-
sorge- und der privaten Zwangserziehung. Die Kriterien, die man
aufstellt, sind trügerisch:
a) Man sagt, die Fürsorgeerziehung auf öffentliche Kosten sei
abhängig von dem Bestehen eines öffentlichen Interesses, und
dieses könne nur angenommen werden, wenn die Gefahr der Ver-
wahrlosung eines Minderjährigen vorliege. (Bericht der Herren-
hauskommission S. 5, Aschrott a. a. O. S. 79, 90*, 104\) Der
§ 1 Nr. 1 des Fürsorgeerziehungsgesetzes selbst scheint Fälle des § 1666
B.G.B., in denen die Gefahr der Verwahrlosung vorliegt, von
anderen Fällen desselben zu unterscheiden. Das scheint aber eben nur
so. In Wahrheit kann sich der Zusatz „und die Fürsorgeerziehung
erforderlich ist, um s. w." nur auf die Fälle des § 1838
B.G.B. beziehen. Denn im § 1666 wird ja in den Worten: „Wird
das geistige oder leibliche Wohl des Kindes dadurch gefährdet,
daß ... u. s. w., so hat das Vormundschaftsgericht die zur Ab-
wendung der Gefahr erforderlichen Maßregeln zu treffen", einerseits
die Gefahr der Verwahrlosung schon vorausgesetzt, andererseits die
Unterbringung des Minderjährigen nur, wenn sie erforderlich, zu-
gelassen. Die Verwahrlosungsgefahr ist also, soweit es sich um Kinder
unter elterlicher Gewalt handelt, kein Kriterium.
b) Man setzt voraus, daß die Aufwendung öffentlicher Kosten
erforderlich sei, weil nicht ausreichende Privatmittel vorhanden seien.
(So z. B. Ausführungsbestimnrungen vom 18. Dezember 1900 a. A.)
Allein das Fürsorgeerziehungsgesetz lehnt jede Differenzirung von be-
mittelten oder unbemittelten Minderjährigen oder von bemittelten und
unbemittelten Unterhaltspflichtigen ab.
Freilich ist dies nicht unbestritten; aber gerade diese Kontroverse
zeigt, wie wenig man sich über die Grenzlinie der Anwendungsgebiete
des Fürsorgeerziehungsgesetzes und der einschlägigen Vorschriften des
B.G.B. im Klaren ist. Während die Begründung zum Entwürfe
des Fürsorgeerziehungsgesetzes dessen Anwendbarkeit auf alle die Fälle,

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