Full text: Archiv für bürgerliches Recht (Bd. 20 (1902))

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Muskat.

anstatt oder Besserungsanstalt unterzubringen sei. Soweit
jedoch ein Elterntheil die Pflicht und das Recht hat, für die
Person des Kindes zu sorgen, finden in Ansehung der Zu-
lässigkeit einer solchen Anordnung die Vorschriften des § 1546
entsprechende Anwendung."
Wie man sieht, stimmte der § 1546 Eutw. I, der die Fälle eines
pflichtwidrigen Verhaltens der Eltern regelt, in den Grundzügen mit
den Vorschriften der §§ 90, 91, 266 II. 2 A.L.R. überein. Nach der
preußischen Vormundschaftsordnung konnte jedoch dein Vormunde,
dem keine Pflichtwidrigkeit zur Last fiel, nicht ohne Weiteres gegen
seinen Willen die Erziehungsgewalt genommen werden, wie dies nach
§ 1685 Entw. I möglich war. Andererseits war die Mutter des
Mündels durch die §§ 1546 und 1685 Satz 2 Entw. I vor der
Gefahr geschützt, daß ihr die Erziehung, auch wenn sie dieselbe nicht
vernachlässigte, dennoch aus erheblichen anderen Gründen entzogen werden
konnte, wie dies nach § 28 Abs. 1 der Vorm.Ordn. möglich war.
6. Die Kommission für den Entwurf zweiter Lesung hob in
Ansehung der gewaltunterworfenen Minderjährigen das Verschul-
dungsprinzip des ersten Entwurfs auf. Nach den §§ 1557, 1575 sollte
die Unterbringung auch dann zulässig sein, „wenn das Kind sittlich
verwahrlost und nach der Persönlichkeit und den Lebensverhältnissen
des Vaters (bezw. der Mütter) anzunehmen ist, daß die elterliche Er-
ziehungsgewalt zur Besserung des Kindes nicht ausreicht". Ferner
wurde im Schoße der zweiten Kommission ein Antrag gestellt, welcher
die Zuständigkeit für die Zwangserziehung anders als dies im Entw. I
geschah regeln wollte. Während nach dem Entw. I das Vormund-
schaftsgericht nicht bloß über die Anordnung, sondern auch über die
Durchführung der Zwangserziehung zu entscheiden hatte, sollte jetzt
die Auswahl unter den verschiedenen Mitteln der Zwangserziehung
der nach den Landesgesetzen zuständigen Verwaltungsbehörde überlassen
bleiben, falls öffentliche Mittel in Anspruch genommen werden.
(Vgl. Antrag 3 a in den Protokollen der Kommission II Bd. 4
S. 620 u. 630 ff.) Der Antrag wurde jedoch mit der Begründung
abgelehnt, daß die Reichsgesetzgebung nicht kompetent sei, die Landes-
gesetzgebungen zu Einrichtungen zu zwingen, welche dein Gebiete der
öffentlichen Wohlfahrt und Armenpflege angehören. In ganz anderer
Richtung bewegten sich die Anträge, welche die Vorschriften über Zwangs-

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