Full text: Archiv für bürgerliches Recht (Bd. 20 (1902))

Goldschmidt's Besitzlehre. 227
Tod u. s. w. Anders steht es mit dem Verluste „solo animo“ — in
ausführlicher Analyse der von den Quellen gebotenen Beispiele versucht
er den Nachweis, daß sich kein einziger Fall eines bloß aus Aufgeben
des animus beruhenden Besitzverlustes Nachweisen lasse: „wo immer
ein Besitzverlust solo animo angenommen wird, beruht dies auf gleich-
zeitigem, noch unfertigem Verluste corpore, eine Besitzdereliktion nuäo
animo giebt es nicht", S. 337—8; auch 335.
Damit soll nach Goldschmidt auch die vielgeschmähte Paulini-
sche Formel in 1. 153 D. 50, 17 (nulla possessio amittitur, nisi
in qua utrumque in contrarium actum est) zusammenhängen; „der
Jurist wollte sich vielleicht gerade gegen diese verbreitete und von ihm
selbst gelegentlich vertretene Lehre von dein Besitzverluste solo animo
wenden", S. 343, 344.
Während mir diese Auslegung nicht unbedingt überzeugend er-
scheint, halte ich im Uebrigen die Polemik gegen den Besitzverlust solo
animo für sehr werthvoll und durchschlagend; allerdings dürfte auch
vom Standpunkt einer monistischen Besitztheorie ein solcher Besitzverlust
keineswegs so nothwendig anerkannt werden müssen, wie Goldschmidt
anzunehmen scheint.
Vortrefflich ist auch das, was G. über den Besitzverlust im All-
gemeinen sagt, S. 277:
„Da die „Gewalt" sich in sehr verschiedener Abstufung,
von dem unmittelbar sinnlichen Haben herab bis zu dem
völlig unsinnlichen Haben (possessio absentis) studet, so wird
auch, nach einem natürlichen Gesetz der Kraftkongruenz, die
Thatsache, durch welche die Gewalt aufgehoben wird, von sehr
verschiedener Stärke sein können. Daher sind alle Theorien
unrichtig — zu weit oder zu eng —, welche die unendliche
Mannigfaltigkeit der Besitzverlustkategorien mittelst einer Formel
zu umspannen.glauben."

Daß Goldschmidt's Arbeit, wenn ihr auch die letzte Abrundung
durch den Verfasser fehlt und der Herausgeber dieselbe trotz alles treuen
Bemühens nicht hat voll ersetzen können, überall geistvoll und musterhaft
klar geschrieben ist; daß sie eine vorbildlich sorgfältige Verwerthung der
Quellen und der — bis zu der Niederschrift erschienenen — Literatur
aufweist, bedarf für jeden Kenner der Gold schmidt'schen Arbeits-

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