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Zur Lehre von den juristischen Personen.
ten für die Behandlung noch Ungeborener (Savigny II. S. 14
fg.) in ein Princip zusammen; der noch Ungeborene wird (in ge-
wissen Verhältniffen) so angesehen und behandelt als wäre er schon
geboren (1. 28. D. de statu hom.). Hieher gehört ferner die
Fiction, daß der filius familias in Ansehung des eastreuse pe-
culium vice patris familias fungirt (1. 2. I). ad Sc. Maeed.),
welche gleichfalls nur aus schon vorhandenen Bestimmungen (dar-
aus , daß der filius familias über das castrense peculium frei
verfügen und testiren kann) abstrahirt ist. Eine andere Fiction
dieser Art ist die Fiction ac si servus liber esset in der 1. 19.
§. 2. D. de nox. act. Die Jurisprudenz macht aber auch Fic-
fionen, um einem Kreis von Phänomenen, welche sich im Rechtsleben
gebildet haben, den zusammenhaltenden Mittelpunkt zu geben, und
den Kern einer eigenthümlichen Gestaltung von Rechtsverhältnissen
zu bezeichnen. Fiktionen dieser Art sollen die Aufgabe lösen hel-
fen, die vorhandenen Verhältnisse zu construiren, sie sind also
nicht das Erzeugniß aprioristischer Spekulation, sondern das Re-
sultat schärferer juristischer Beobachtung und Auffassung des Gege-
benen, nicht ein Kniff noch überhaupt etwas Künstliches, sondern
die kunstgemäße Erklärung bestehender Verhältnisse, die Formel für
eine Gruppe von Erscheinungen; sie „befriedigen das wissenschaft-
liche Bedürfniß, bringen das zu Grunde liegende Princip zum Be-
wußtseyn, enthalten aber keine praktische Neuerung" (Jhering, Ab-
handl. S. 200). Das bewußte Aufstellen solcher Fiktionen bezeich-
net einen Fortschritt, nicht in der Bildung des Rechts, sondern in
der Erkenntniß desselben, einen Fortschritt nicht im Rechtsverkehr,
sondern in der Rechtswissenschaft. So sind z. B. die Corporatione»
gewiß lange Zeit hindurch als die einheitliche Mehrheit physischer
Personen, und das Corporationsvermögen als gemeinschaftliches
Vermögen der Mitglieder angesehen worden (area communis,
servus communis), bis die Wissenschaft es gewahr wurde, daß hier
ein von der gleichzeitigen und successiven Totalität der Mitglieder verschie-
denes ideales Rechtssubject vorhanden sey, und für sämmtliche bei den
Corporationen vorkommende Rechtserscheinungen die „adäquate Aus-
drucksform" fand: corpus personae vice fungitur*). Ebenso war
*) 3n dieser Zeit noch ungereifter Erkenntniß mochte man in der That die
hinterlassenen Sachen als res nullius, das heißt als Herrenlos bezeichnen (l. 13.