Full text: Deutsche Juristen-Zeitung (Jg. 18 (1913))

7.7.4. Prozeßkostenversicherung

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XVIII. Jahrg. Deutsche Juristen-Z eitun g. 1913 Nr. 1.

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freilich ohne sie vollständig durchzuf(ihren; auch nach
dem Beschlüsse des Herrenhauses sollen Beschwerden,
welche die Umsetzung anderer Zahlungsmittel in kassen-
mäßiges Geld, die Aufbewahrung von Wertpapieren, Ur-
kunden und Kostbarkeiten, die Ueberwachung der Aus-
losung und Kündigung von Wertpapieren und die sonstigen
mit Bezug auf die Verwaltung hinterlegter Wertpapiere
dem Staate obliegenden Verpflichtungen, die Bestimmung
des Ortes der Herausgabe und die Einstellung der Ver-
zinsung zum Gegenstände haben, im Aufsichtsweg erledigt
werden. Die Beschwerde nach dem Pr. EGG. würde sich
hiernach auf solche Verfügungen beschränken, welche die
Annahme zur Hinterlegung und die Herausgabe
betreffen. Der Bericht der Justizkommission und die Ver-
handlungen des Herrenhauses muten etwas doktrinär an,
wenn sie die Frage, ob Hinterlegung bei Gericht zur frei-
willigen Gerichtsbarkeit gerechnet werden müsse, theo-
retisch erörtern. Mit vollem Recht haben m. E. die Ver-
treter der Justizverwaltung darauf hingewiesen, daß es sich
lediglich um eine Zweckmäßigkeitsfrage handle, und
nachdem auch in der Fassung des § 3 anerkannt ist, daß
die den Gerichten als Hinterlegungsstellen obliegende Tätig-
keit jedenfalls nicht in vollem Umfang als Sache der freiwilli-
gen Gerichtsbarkeit anzusehen sei, dürfte die theoretische
Meinungsverschiedenheit darüber, wie oder wo die Grenze
zwischen Justizverwaltung und freiwilliger Gerichtsbarkeit
zu ziehen sei, unbeachtlich, und der Versuch, die Streit-
frage durch Begriffsbestimmungen zu lösen,1) verfehlt sein.
Zweckmäßiger aber als die Belastung der ZivilKammerh
und der Zivilsenate mit Beschwerden in Hinterlegungs-
sachen ist m. E. die Erledigung solcher Beschwerden
im Aufsichtswege. Die schnelle Entscheidung durch den
Gerichtspräsidenten, der geneigt sein dürfte, rein for-
malen Bedenken kein allzu großes Gewicht beizulegen,
ist in Hinterlegungssachen für das Publikum wertvoller,
als die tiefgründige Behandlung von Rechtsfragen, die
gerade in, dieser Materie nur sehr selten Schwierigkeiten
bieten und, soweit es sich um die fast ausschließlich in
Betracht kommende Frage der Herausgabe handelt, in
der Regel nur die Legitimation des Empfängers und der
anderen Beteiligten zum Gegenstände haben. Es ist sicher
anzunehmen, daß, soweit die Verfügungen der Amtsgerichte
als Hinterlegungsstellen zu Beschwerden Anlaß geben,
die Präsidenten der Landgerichte und der Oberlandes-
gerichte in der Lage sein werden, ihre Aufgabe schnell
und sachgemäß zu lösen. Wenn bei der weiteren Be-
ratung die gesetzgebenden Körperschaften zur Regierungs-
vorlage zurückkehren sollten, würde eine sicher nicht
wünschenswerte Belastung der Gerichte vermieden und
das Publikum vor den mit der Zulassung der Sachbeschwerde
verbundenen Gerichtskosten bewahrt werden.
Auch über Beschwerden gegen den Ansatz der Gerichts-
kostenstempel wird in Preußen seit dem 1. Okt. 1910 im Auf-
sichtsweg entschieden, und es dürfte schwerlich zu leugnen
sein, daß auf diesem Gebiete die Rechtsfragen ungleich
schwieriger sind. Freilich ist hier, soweit es sich um die
Verpflichtung zur Entrichtung der Abgabe handelt, auch
der Rechtsweg zulässig, während nach der Rechtsprechung
des Gerichtshofs zur Entscheidung der Kompetenzkonflikte
für Ansprüche an den Fiskus auf Herausgabe hinterlegten
Geldes der Rechtsweg ausgeschlossen ist. Ich halte zwar
die Erwägungen, auf denen diese Rechtsprechung beruht,
nicht für zutreffend; ein praktisches Bedürfnis aber zur
Erschließung des Rechtswegs für die gedachten Ansprüche
vermag ich nicht anzuerkennen.
Justizrat Dr. Ernst Heinitz, Berlin.

0 Vgl. Bleeck i. JW. 1912, 1089.

Prozeßkostenversicherung. Wenn in unserer ver-
sicherungsfrohen Zeit eine allgemeine Prozeßkostenver-
sicherung noch nicht in Vorschlag gebracht worden wäre,
müßte man sich wundern; denn der Gedanke einer solchen
liegt namentlich für jemand, der neue Versicherungsmöglich-
keiten ausklügeln will, gar nicht weit ab. Besitzen wir doch
eine Reihe von tatsächlich betriebenen Assekuranzzweigen,
die eine mehr oder minder enge Verwandtschaft mit einer
solchen allgemeinen Prozeßkosten- oder Rechtshilfever-
sicherung haben. Soweit ich sehe, ist sie in der Literatur
zum erstenmal 1902 von Schneider1) gefordert worden,
dann 1911 von Grauer2) sowie von Obst3), wie auch
Ecker3) 1912 sich in beachtenswerter Weise über den
gleichen Gegenstand kritisch geäußert hat. Die in Deutsch-
land gelegentlich vorkommende Geschworenen Versicherung,
durch welche den als Geschworene Ausgelosten Einnahme-
ausfälle ersetzt werden sollen, ferner die in der Schweiz
in eigenartiger Weise heimische Klientengelder-Versicherung
mögen die Idee einer Prozeßversicherung gefördert haben;
vor allem aber dürfte hierzu die Haftpflichtversicherung
beitragen, die namentlich von Georgii als Rechtsschutz-
versicherung ausgelegt, auch auf Grund des Reichsgesetzes
über den Versicherungsvertrag in umfassendem Maße eine
Versicherung ist, durch welche der wegen Haftpflicht in
Anspruch genommene Versicherte die Kosten eines Haft-
pflichtprozesses ersetzt erhält, insofern die Versicherungs-
Gesellschaft diesen im Namen des Versicherten führt und
seine Kosten übernimmt. Daneben sind neuerdings zwei
Versicherungszweige in Erscheinung getreten, welche eben-
falls die Kosten bestimmter Prozeßarten zu decken den
Zweck haben. Die eine will die Kosten von Bergschäden-
prozessen ersetzen und wird von zwei Versicherungsvereinen
von Grundbesitzern im westfälischen wie im schlesischen
Kohlenbezirk betrieben, die andere, welche in England in
den letzten Monaten ins Leben getreten ist, faßt Patent-
prozesse ins Auge, will die Haftpflicht von Patentinhabern
für die Kosten und Ausgaben der Verfolgung von Klagen
in Verbindung mit Patenten, Gebrauchsmustern, Schutz-
marken und anderen Monopolen einschließlich der den
Beklagten auferlegten Schadensersatzleistungen decken.
Nun hat sich die Haftpflichtversicherung bekanntlich
sehr bewährt und auch die anderen Rechtsschutz Versiche-
rungen werden sich vielleicht einmal einer Zufriedenstellen-
den Entwicklung zu erfreuen haben; aber es will mir,
ebenso wie Ecker, verfehlt erscheinen, diese Sonderprozeß-
versicherungen auszugestalten zu einer allgemeinen Prozeß-
kostenversicherung. Aus zahlreichen Gründen halte ich
eine solche weder für durchführbar noch für erstrebens-
wert, vielmehr als eine Ueberspannung des Versicherungs-
prinzips, zu dem wir (nicht nur auf dem Gebiete sozialer
Zwangsversicherung) neuerdings etwas neigen.
Nach dem Worte eines alten bekannten Praktikers ist
jede Versicherung denkbar, wenn die erforderliche Prämie
gezahlt wird. Das bedeutet aber, daß eine Versicherung
nur dann Aussicht auf Verbreitung hat, wenn der Einsatz
jedes einzelnen Versicherten im Verhältnis zu der zu er-
wartenden Höchstleistung der Versicherungsanstalt gering
ist. Will man nun aber, wie es beabsichtigt ist, den ganzen
Kaufmannsstand für alle seine Prozesse als Versicherungs-
nehmer heranziehen, so dürfte die Prämie gerade für die-
jenigen recht hoch werden, welche an der Versicherung
vorzugsweise interessiert sind; denn bei ihnen, großen kauf-
männischen und industriellen Betrieben, welche häufig Pro-
zesse führen, wird das Gewinnen bzw. Verliefen der Prozesse
sich ungefähr die Wage halten, so daß eine Ersparnis durch
Assekuranz-Jahrbuch, Wien. 2) Zeitschrit für die gesamte Ver-
sicherungs-Wissenschaft, Berlin^ 3) Mitteilungen für die öffentlichen
Feuerversicherungs-Anstalten, Kiel.

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