Full text: Deutsche Juristen-Zeitung (Jg. 18 (1913))

7.7.3. Der Entwurf einer preußischen Hinterlegungsordnung

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XVIII. Jahrg. Deutsche Juristen-Zeitung. 1913 Nr. 1.

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reiche und stets wachsende Bücherversendungsbetrieb, die
einzig dastehende Musikabteilung, das bibliothekarische Aus-
kunftsbureau, diese wie keine andere in Deutschland als zur
zukünftigen Nationalbibliothek bestimmt erscheinen lassen.
Die Angelegenheit ist des Interesses aller Gebildeten
sicher, sie hat überall Interesse hervorgerufen, und sie geht
vor allem auch den Juristen und Nationalökonomen an.
Bei der stets zunehmenden Fülle der juristischen, staats-
rechtlichen und verwandten Literatur verdient die Harnacksche
Schrift auch Beachtung seitens des Juristenstandes. Und
man wird gerade vom Standpunkt des Juristen nicht um-
hin können, Harnack beizustimmen. Die Gründung einer
Deutschen Nationalbibliothek, die auch die gesamte juristische
Literatur vollzählig umfaßt, ist gewiß ein Plan, dem kein
Jurist seinen Beifall versagen wird. Man sollte weiter
meinen, daß auch die Frage, wo diese Bibliothek am zweck-
mäßigsten ihre Stätte finden soll, nur mit Harnack durch
den Hinweis auf Berlin und die Berliner Königl. Bibliothek
zu beantworten ist. Der Umstand, daß sich in Leipzig
das Reichsgericht befindet, kann auch vom juristischen
Standpunkt nicht ins Gewicht fallen. Denn der oberste
Gerichtshof hat seine eigene ausgezeichnete Bibliothek und
muß sie haben, sie soll vorwiegend dem praktischen
Zweck der Rechtsprechung dienen. Die Deutsche National-
bibliothek soll aber eine universelle und in erster Linie
wissenschaftliche Bibliothek sein. Berlin steht in Beziehung
auf die Zahl der praktischen Rechtskundigen und der wissen-
schaftlich auf den Gebieten der Jurisprudenz arbeitenden
Personen obenan. In keiner Stadt Deutschlands befinden
sich so viele Gerichte, praktische Juristen, Rechtslehrer,
Rechtsbeflissene und andere juristisch theoretisch oder
praktisch tätige Personen. Dazu kommen die Parlamentarier
und sonstigen in Berlin weilenden Politiker, die sich mit
Staats- und Sozialwissenschaften beschäftigen, die Ange-
hörigen der Presse, die zahlreichen Regierungsbeamten
aller Kategorien, die Diplomaten und die Privatgelehrten
auf rechts- und staatswissenschaftlichem Gebiet. Die meisten
wissenschaftlich arbeitenden Juristen wenden sich nach
Berlin, nicht nach Leipzig oder anderen Städten.
Das juristische Bücherwesen ist aber in Berlin in
manchen Beziehungen übel bestellt, die vorhandenen
juristischen Bibliotheken haben manche Schattenseiten.
Was insbesondere die Gerichtsbibliotheken anlangt, so ist
auch in diesem Blatte mehrfach über ihre Mängel ge-
sprochen worden. Die ihnen zum Ankauf von Büchern
zur Verfügung stehenden Bibliotheksfonds sind zu niedrig,
sie reichen nicht aus, um die Büchersammlungen halbwegs
auf der Höhe zu halten. Im übrigen herrscht im juristi-
schen Bibliothekwesen eine große Zersplitterung. Es
existieren fast zu viele Bibliotheken, die für den Juristen
in Betracht kommen. Da sind die Königl. Bibliothek, die
Universitätsbibliothek, die Bibliotheken der drei Parlamente,
des Reichs-Justizamts, die der Ministerien, die des Kammer-
gerichts und der übrigen Gerichte. Aber es gibt keine
universelle juristische Bibliothek. Was man in der einen
Bibliothek nicht findet, muß man an zahlreichen anderen
Stellen.— und oft auch dort wieder vergeblich — suchen:
eine allgemeine Dezentralisation! Welche Vergeudung an
Zeit und Kraft! Ein Buch zu finden, das einigermaßen
selten ist, bedeutet bei dieser Sachlage oft eine keines-
wegs leichte Aufgabe. Wie anders wäre das, wenn eine
einzige große, universelle Bibliothek bestände!
Und so kann u.E. auch der Jurist Harnack nur beistimmen
in dem Wunsche, daß die Berliner Königl. Bibliothek aus-
gestaltet werde zu dem, was sie schon jetzt auf dem Wege
ist zu werden: eine deutsche Nationalbibliothek!
Landgerichtsrat Dr. Schellhas, Berlin.

Der Entwurf einer preußischen Hinterlegungs-
ordnung liegt z. Zt. dem preußischen Landtage vor. Das
Herrenhaus, dem der Entwurf zuerst überwiesen worden ist,
hat ihm am 28. Nov. 1912 im wesentlichen nach den
Beschlüssen der Justizkommission zugestimmt.
Ziel und Zweck des Entw. ist die Rückübertragung
des HinterlegungsWesens von den Behörden der allgemeinen
Landes Verwaltung, d. i. von den Bezirksregierungen, an
die Gerichte, die in Preußen seit der Depositalordnung
v. 15. Sept. 1783 und bis zum Inkrafttreten der Hinter-
legungsordnung v. 14. März 1879 Hinterlegungsstellen waren.
Der Entwurf vollführt also, wie der Bericht der Justiz-
kommission sich ausdrückt, „einen Kreislauf nach dem in
geschichtlicher Entwicklung erhärteten Grundsätze der
Gravitation“. Erfreulich ist es, daß dieses Ziel mit einer
erheblichen Verringerung des Umfangs der Hinterlegungs-
ordnung (von 114 auf 42 Paragraphen) erreicht werden
kann, und die Befriedigung hierüber braucht nicht dadurch
beeinträchtigt zu werden, daß der Erlaß der Vorschriften
über die Einrichtung der Hinterlegungsbehörden und der
Hinterlegungskassen, über Form und Inhalt der Anträge
auf Annahme und Herausgabe sowie die Regelung des
Verfahrens durch die mit der Ausführung des Gesetzes beauf-
tragten Minister erfolgen soll, das Gesetz also seine Er-
gänzung in Ausführungsvorschriften finden wird, die
voraussichtlich umfangreicher werden dürften als das Ge-
setz selbst.
Durch die Uebertiagung des gesamten Hinterlegungs-
wesens an die Gerichte wird der Unterschied zwischen
Hinterlegung und vorläufiger Verwahrung beseitigt;
der Begriff der vorläufigen Verwahrung, die bisher den
Gerichten oblag, ist dem Entwürfe fremd. Im übrigen
dienen die nicht sehr zahlreichen Neuerungen meist
der Vereinfachung des Verfahrens und der Milderung
von Härten des Gesetzes von 1879. Eine besonders er-
freuliche Neuerung besteht darin, daß, während gegen-
wärtig die Hinterlegungskassen nicht verpflichtet sind, die
Auslosung oder Kündigung der hinterlegten Wertpapiere
zu überwachen und von Amts wegen für die Einziehung
der Zins- oder Dividendenscheine zu sorgen, nach § 9
des Entw. der Staat die Auslosung und Kündigung
der Wertpapiere insoweit zu überwachen hat, als solche
in den nach den Geschäftsbedingungen der Seehandlung
maßgebenden Verlosungstabellen veröffentlicht wird, und
auf Antrag eines Berechtigten auch verpflichtet ist, für die
Einlösung oder den Umtausch ausgeloster oder gekündigter
Papiere, für die Einlösung fälliger Zins- und Renten-
scheine, für die Beschaffung von neuen Zins- und Renten-
scheinen und von Erneuerungsscheinen zu sorgen. Diese
Obliegenheiten des Staates können noch auf weitere bank-
technische Geschäfte erstreckt werden.
Nur in einem Punkte hat sich bei Beratung des Ent-
wurfs eine grundsätzliche Meinungsverschiedenheit zwischen
Staatsregierung und Herrenhaus ergeben. Die Regierungs-
vorlage betrachtete das Hinterlegungswesen nicht als eine
Angelegenheit der freiwilligen Gerichtsbarkeit, sondern als
Justizverwaltungssache und regelte infolgedessen das
Beschwerdeverfahren dahin, daß Beschwerden gegen die
Entscheidungen der Hinterlegungsstellen im Aufsichts-
weg, also von den LG.-Präs., von den Oberlandes-
gerichtspräsidenten und in letzter Instanz vom Justiz-
minister erledigt werden. Dagegen zog die Justizkommission
des Herrenhauses aus der Übertragung des Hinterlegungs-
wesens von den Verwaltungsbehörden an die Gerichte die
Schlußfolgerung, daß das Verfahren in Hinterlegungssachen
auf höre, Verwaltungsangelegenheit zu sein, und in das
Gebiet der freiwilligen Gerichtsbarkeit falle. Das Plenum
des Herrenhauses ist dieser Auffassung beigetreten,

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